Puppen-Kunst im Alten Flecken

Ausstellung mit Werken von Ingrid Schwan und Cornelia Wiese eröffnet

„Nun sind wir ein Puppenhaus,“ schmunzelte 4Fachwerk-Vorsitzender Dieter Siebel und konnte in eine große Runde von Eröffnungs-Besuchern blicken. Die Ausstellung mit Künstlerpuppen und Puppenhäusern galt es zu starten – und der Zuspruch war schon am ersten Tag überwältigend. Langanhaltender Beifall galten Dominik Stangier (Piano) und Celia Eichhorn (Cello), die die musikalische Einleitung übernommen hatten und dem Abend nahezu mit einem kleinen Konzert bereicherten. Sie rahmten den Eröffnungsvortrag von Dr. Ingrid Leopold ein, die sich mit Geschichte von Puppen überhaupt auseinandergesetzt hatte.

Dr. Ingrid Leopold führt mit einem historischen Rückblick in die Puppenausstellung ein.
Dr. Ingrid Leopold führt mit einem historischen Rückblick in die Puppenausstellung ein.

„Erste prähistorische Funde von puppenähnlichen Figuren aus Horn, Knochen, Ton oder Stein sind 35 000 bis 40 000 Jahre alt. Die Figuren waren vor allem Frauenkörper, welche die Mutter als Synonym für die Fruchtbarkeit verkörpern sollten,“ so die Vize-Vorsitzende des Museumvereins. Der Wandel zum Spielzeug habe sich erst im frühen 15. Jahrhundert vollzogen. In Nürnberg und in den Gemeinden Sonneberg und Waltershausen im Thüringer Wald sei eine regelrechte gewerbliche Produktion der Docken entstanden, wie man die Puppen zunächst nannte. Erst im Spätmittelhochdeutschen wurde der Begriff „puppa“ aus dem lateinischen „pupa“ für Mädchen oder Puppe abgeleitet und übernommen.


In die Theaterkunst hätten die Puppen vor allem in Italien Eingang gefunden. Sie standen hier als Marionetten stellvertretend für gesellschaftliche Charaktere, zum Beispiel den dummen Bauern oder den Spaßvogel. Auch der Kaspar habe hier seinen Ursprung. „Pupen waren nicht unbedingt Spielzeug,“ erläuterte Ingrid Leopold. In der Welt der Aristokratie, der höfischen Gesellschaft des 17. und 18. Jahrhunderts zu Zeiten des Barocks und des Rokokos sei den Puppen die Funktion von Kleidermodellen zugekommen. In wohlhabenden Familien war die Porzellankopfpuppe später ein idealisiertes Luxusgeschöpf mit vielerlei Accessoires, Besitz großbürgerlicher Töchter und Statusobjekt der stolzen Eltern. Die Namen Käthe Kruse und Margarete Steiff standen dann für eine neue Generation von Puppenmachern, die nun mit Stoffpuppen anschmiegsame, weiche und bewegliche Lieblinge für kleine Mädchen schufen, die sie „knuddeln“ konnten.

Die von Ingrid Schwan gefertigten Porzellanpuppen seien in die zeitgenössische Künstlerpuppenszene einzuordnen, die sich in den 80er Jahren des 20sten Jahrhunderts entwickelte. „Das Puppenmachen ist bei zur ernsthaften Profession geworden, die Einzelstücke sind begehrte Sammlerobjekte geworden,“ lobt Leopold die seit 2004 in Kirchen wirkende Künstlerin. Zwischenzeitlich habe sich unermüdlich aktive Künstlerin weitergebildet und neue Fertigkeiten in der Herstellung und dem Bemalen kunsthandwerklicher Objekte aus Porzellan erlangt: „Sie ist in der traditionellen und modernen Porzellanmalerei genauso anerkannt wie in der Künstlerpuppenszene.“

Mit viel Beifall bedacht: Die Musiker Dominik Stagniert und Celia Eichhorn.
Mit viel Beifall bedacht: Die Musiker Dominik Stagniert und Celia Eichhorn.

Mit Blick auf die Arbeiten von Cornelia Wiese gab Dr. Ingrid Leopold ebenfalls einen Blick in die Geschichte: „Parallel zur gewerbsmäßigen Herstellung der Puppen durch die Dockenmacher im 15. Jahrhundert in Nürnberg wurden vermutlich auch die ersten Puppenstuben bereits zu damaliger Zeit gebaut.“ Wenn man diese aufwendigen Puppenhäuser aus dem frühen 17. Jahrhundert betrachte, welche bis auf das letzte Detail komplett sind, so sei zu vermuten, dass sie weniger zum Spielen, denn zur Ansicht, zur Anschauung und Repräsentation dienten. In ihrer Vollständigkeit ermöglichen sie einen Rückblick in die vielfach verlorene Alltagsgeschichte der damaligen Zeit.

Cornelia Wiese habe berichtet, dass sie 1990 mit ihren Kindern eine Kreativmesse in Erfurt besucht habe. Die dort ausgestellten Puppenhäuser hätten sie so fasziniert, dass Sie ihrem Sohn und der Tochter gesagt habe: „Wenn Ihr groß seid, wird Eure Mama mit Puppenhäusern spielen.“ So ist es dann gekommen – und das Ergebnis kann sich sehen lassen, wie schon das Interesse bei der Vernissage zeigte.

Ingrid Schwan und Cornelia Wiese - ihre künstlerische Welt sind Puppen und Puppenhäuser.
Ingrid Schwan und Cornelia Wiese – ihre künstlerische Welt sind Puppen und Puppenhäuser.

Leopold: „Ingrid Schwan und Cornelia Wiese gilt unsere Bewunderung und unser Dank. Sie führen uns in nostalgische Welten – in die Vergangenheit, mit der man sich als älterer Mensch immer häufiger gedanklich beschäftigt.“
Beide Künstlerinnen wurden anschließend regelrecht mit Fragen, aber auch Komplimenten, zu ihren „Kunst-Stücken“ bestürmt und so setzte sich ein langer Museums-Abend im „Alten Flecken“ fort.

Die Ausstellung ist bis zum 7. Oktober 2018 zu sehen. Das ehrenamtlich geführte Museum ist mittwochs, samstags und sonntags von 14:00 Uhr bis 17:00 Uhr geöffnet. Der Eintritt beträgt 3 Euro. Sonderführungen sind auf Anfrage möglich.

Künstlerpuppen, Puppenhäuser – eine Kunst für sich!

Ab 25. August 2018 neue Sonderausstellung

„Das sieht ja aus wie eine Puppenkulisse!“ – Spontan äußerst sich so mancher Besucher beim ersten Anblick des Alten Fleckens. Tatsächlich sind jetzt ganz erstaunliche Puppen und Puppenhäuser in der Fachwerk-Altstadt zu besichtigen. Ab dem 25. August 2018 präsentiert das Mittendrin-Museum eine Ausstellung der Künstlerinnen Ingrid Schwan und Cornelia Wiese, die ihr kreatives Schaffen genau diesen Themen mit hoher Profession gewidmet haben.

Zur Vernissage am Freitag, 24. August 2018, 19:00 Uhr, und zur Berichterstattung lädt der Museumsverein sehr herzlich ein. Einführende Worte spricht Dr. Ingrid Leopold, die dabei auch auf die Geschichte von Puppen und ihre Herstellungsweisen eingehen wird. Musikalisch umrahmt wird die Eröffnung durch Dominik Stangier (Piano) und Celia Eichhorn (Cello).



Die Herstellung von Puppen umfasst handwerkliches Können wie ein hohes künstlerisches Empfinden. Für beide Fähigkeiten wurde die in Kirchen (Rheinland-Pfalz) wirkende  Ingrid Schwan mit zahlreichen Auszeichnungen geehrt. Mit Goldmedaillen verließ sie zum Beispiel das Europäische Puppenfestival in Interlaken (1997) wie den Internationalen Wettbewerb „Eurodoll“ in Bregenz (1999). Schließlich in Bern (2012) punktete sie bei über 200 Teilnehmerinnen aus 16 Ländern mit der bestbewerteten Puppe und kann sich fortan über den internationalen Titel  „Master of Dollmaking“ freuen. Seit 2004 entstehen nun in Kirchen im Haus der in Betzdorf aufgewachsenen Künstlerin die anspruchsvoll gestalteten Kreationen. Gerade den Köpfen aus Porzellan widmet sie große Aufmerksamkeit, da sie später nach dem Modellieren, dem Brennvorgang und der anschließenden künstlerischen Bearbeitung ganz wesentlich zur individuellen figürlichen Ausstrahlung der Puppen sorgen. Beim Betrachten der Künstlerpuppen wird sehr schnell deutlich, wie gekonnt ein Bild von Charakteren entsteht, die Emotionen zu wecken vermögen. Ihre Werke haben sich zu begehrten Sammelobjekten entwickelt.

Dass die zweite Künstlerin ebenfalls in Kirchen wohnt, ist Zufall. Doch auch ihr Interesse gilt der Nachbildung, der Miniatur von Lebenswelten:  Cornelia Wiese ist seit Jahren von Puppenhäusern fasziniert. Sie entwickelte eine Sammelleidenschaft für all die ganz speziellen Utensilien, die der kleinen, nachgebauten Welt ihren jeweiligen Charme bestimmter Einrichtungsstile geben. Ihr Mann baut ihr die Puppenhaus-Hüllen, die sie dann entsprechend der verschiedenen Zeitepochen mit ihren typischen Merkmalen gestaltet und ausstattet. So entsteht die perfekte Illusion, die maßstabgetreue Abbildung von Raumsituationen früherer Zeiten. Viele Details muss sie selbst entwickeln und Gegenstände in kleinen Proportionen nachbauen. Cornelia Wieses Puppenhäuser bergen so kleine Schätze und lassen nostalgische Gefühle aufkommen.

Die Ausstellung in dem ehrenamtlich geführten Museum in der Freudenberger Altstadt ist vom 25. August bis zum 7. Oktober 2018 zu sehen. Das Haus ist mittwochs, samstags und sonntags von 14:00 Uhr bis 17:00 Uhr geöffnet. Der Eintritt beträgt 3 Euro. Sonderführungen sind auf Anfrage möglich.