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Geschichtsarbeit im 4Fachwerk-Museum kennenlernen

Drei Schülerinnen des Evangelisches Gymnasium Siegen-Weidenau (evau) verbringen derzeit einen Teil ihrer Praktikumsphase im Freudenberger 4Fachwerk-Museum.

Lilly Timea Wagener, Kim Leonie Rosenau und Amelie Adolph haben sich innerhalb des Projektkurses der Fächerkombination Geschichte/Religion den Schwerpunkt Baugeschichte ausgesucht. Ziel des evau: „Lernen einmal ganz anders, Entdeckungen machen, Teamarbeit erleben, Raum bieten, eigene Interessen zu verfolgen.“

Begrüßt wurden die drei Praktikantinnen von Dieter Siebel. Der 4Fachwerk-Vorsitzende stellte eine ganze Reihe historischer Informationen zusammen und erläuterte Ziele und Vorgehensweise des ehrenamtlich getragenen Museums im Alten Flecken. „Wir sind ja schon selbst Teil einer Baugeschichte“, so Siebel zum Standort in der Altstadt. 

Am Samstag kamen die Schülerinnen mit dem Arbeitskreis Stadtgeschichte des Museums zusammen. Klaus Siebel-Späth, auch Vize-Vorsitzender des Museums-Vereins, erläuterte die bisherige Forschungsarbeit. Er zeigte auf, wie durch Foto-Analysen die baugeschichtliche Entwicklung des Fleckens nachvollzogen werden kann. Alt-Stadtarchivar Detlef Köppen informierte über die Quellen-Forschung, die heute vielfach per Internet möglich ist: „Die neuen technischen Archivzugänge haben die Suche nach für Freudenberg wichtigen Dokumente deutlich erleichtert.“ Bernd Brandemann gab einen Überblick über die Themen, mit denen sich der Arbeitskreis zukünftig beschäftigen wird.

Und welchen ersten Eindruck hatten die jungen Geschichts-interessierten Oberstufen-Schülerinnen gewonnen? „Es ist superspannend,“ freute sich Lilly Wagener, die selbst auch in Freudenberg zuhause ist.

Gestern und heute: Der Kalender für 2024 des 4Fachwerk Museums ist wieder erhältlich.

Auch in diesem Jahr bietet der 4Fachwerk-Museumsverein wieder einen wertvollen Fotokalender an. Zwölf großformatige Aufnahmen zeigen historische Gebäude oder Straßenszenen. Ihnen werden aktuelle Ansichten gegenüber gestellt. Erläuternde Texte geben informieren über geschichtliche Hintergründe. Ein Kalenderblatt zeigt beispielsweise eine seltene Aufnahme, auf dem vor dem damaligen Bethesda-Krankenhaus in der Burgstraße noch der im Volksmund so bezeichnete „Stutten-Weiher“ zu erkennen ist.

Heinrich Stutte hatte 1855 am Neuen Weg „in der Sötte“ eine Leimsiederei gegründet. Die Fabrikgebäude wurden später abgerissen, hier entstand 1957 nachfolgend das Gebäude der Amtssparkasse Freudenberg. Ein weiterer Teil bildet heute den Mórer Platz mit dem Zentralen Busbahnhof.

„Der Kalender zeigt, wie sich das Stadtbild verändert hat und kann Erinnerungen an frühere Begebenheiten wecken,“ so die 4Fachwerker vom Arbeitskreises Stadtgeschichte des Vereins. Die interessante Begleitung durch das Jahr eigne sich gut als Geschenk an liebe Mitmenschen – oder auch für sich selbst im eigenen zuhause. Von jedem Kalender kommt ein kleiner Betrag dem Erhalt und der Weiterentwicklung des ehrenamtlich geführten Museums zugute. 

Der Bildkalender ist ab sofort für 18 Euro erhältlich:

  • 4Fachwerk-Mittendrin-Museum, Mittelstraße 4,
  • Atelier Siebel, Kuhlenbergstraße 10,
  • Tourist-Information und Stadtbücherei, Kölner Straße 1,
  • Buchhandlung Filousophie, Bahnhofstraße 20
  • Holzwirtschaft, Marktstraße 15,
  • Liebenswertes, Oranienstraße 20
  • Sowohnich, Kölnerstraße 6,
  • Galerie Neu & Alt, Olper Straße 1

Das neue Zuhause der Uhrenabteilung feierlich eingeweiht

Dr. Ingrid Leopold, 4Fachwerk-Vize-Vorsitzende, zitierte am Schluss der kleinen Feierstunde zur Eröffnung der neuen Uhrenetage den Dichter Carl Loewe (1796-1869). Der hatte seine Wertschätzung für die Uhr formvollendet in Gedichtform gebracht: „Ich wollte, sie wäre rascher gegangen an manchem Tag; Ich wollte, sie hätte manchmal verzögert den raschen Schlag. In meinen Leiden und Freuden, in Sturm und in der Ruh, was immer geschah im Leben, sie pochte den Takt dazu.“

Seit einer Vielzahl von Wochen hatten Handwerker den Takt im Dachgeschoss des Museums vorgegeben. Jetzt konnte die neu gestaltete Uhrenpräsentation der Öffentlichkeit vorgestellt werden. „Handwerk trifft Kunst“, formulierte Bürgermeisterin Nicole Reschke in ihrem Grußwort. Sie erinnerte daran, dass „Zeit“ in der „Alice im Wunderland-Welt“ eine große Rolle spiele. Aber die Zeit sei nicht nur ein Dieb, sondern Uhren könnten auch ausdrücklich das Gefühl vermitteln, Zeit zu haben, Ruhe auszustrahlen. Dass habe sie selbst im gemütlichen Zimmer ihrer Großeltern in Plittershagen mit deren Standuhr erlebt. „Johann Peter Stahlschmidt gehört zur Freudenberger Stadtgeschichte,“ urteilt Reschke über den berühmten Uhrmacher mit Plittershagener Wurzel. Sie sei sehr froh, dass dessen Erbe vom 4Fachwerk-Museum bewahrt werde.

Klaus Siebel-Späth, der das Projekt „Uhrenabteilung“ für das Museum betreut, schilderte den Ausgangspunkt der ersten Überlegungen zum Umbau. Im Jahr 2018 habe 4Fachwerk eine weitere Stahlschmidt-Uhr geschenkt bekommen, die inzwischen in Garmisch-Patenkirchen gelandet war, und ursprünglich aus dem Haus des Freudenberger Arztes Jacob Utsch (1824-1901) stammt.

„Wir haben ein Platzproblem“ so die damalige Analyse. Unter den 4Fachwerk-Mitgliedern befand sich der Ausstellungs-Designer Kasimir Zembala, der mit einem Modell die Neugestaltung visualisierte. Daraus wurden konkrete Pläne entwickelt und 2022 gelang es dem Museum aus dem Programm „Neustart Kultur – Pandemiebedingte Investitionen für Kultureinrichtungen zur Erhaltung und Stärkung der Kulturlandschaft“ eine Förderung zu erhalten. Rund 45 Tausend Euro investierte der Verein in die Ausstellungs-Optimierung und erhielt dafür einen Zuschuss von 85 Prozent. „Wir haben Themenräume in der Ausprägung ihrer jeweiligen Zeit gestaltet,“ so Siebel-Späth. Diese Stilrichtungen entsprechend der Entstehungszeit der Standuhren, beginnend im Barock, übergehend zum Biedermeier und endend im Jugendstil. Sowohl Lehmputz wie Tapeten der Zeitepochen wurden für die Nischen genutzt. Eine weitere Neuerung: „Wir haben jetzt alle Informationen zu den Uhren digital aufbereitet. Bilder und Texte können über einen Touch-Screen-Bildschirm in der Ausstellung aufgerufen werden.“ Außerdem wurde die Beleuchtungstechnik vollkommenen erneuert.

Einen interessanten Einstieg in die Forschung der Bodenstanduhren bot Ian Fowler, der dem Museum als Uhrenhistoriker seit vielen Jahren verbunden ist. „Er kennt jede Uhr wie ein Großvater seine Enkel“, hatte 4Fachwerk-Vorsitzender Dieter Siebel ihn launig in seiner Begrüßung vorgestellt.

Fowler stellt klar: „Die Sammlung hier soll nicht nur Stahlschmidt in den Mittelpunkt stellen, sondern die regionalen Uhrmacher des Siegerlandes insgesamt würdigen.“ Nach der Erfindung der Bodenstanduhr Ende des 17. Jahrhunderts in Holland und England hat der Einzug in diese Region Mitte des 18. Jahrhunderts gehalten. Im Bergischen Land, im Raum Neuwied, dem Sauer- und Siegerland seien solche als Uhren für das Bürgertum dann entstanden. Die Arbeiten der Meister Achenbach in Neuwied, Spies in Siegen oder Stahlschmidt in Freudenberg seien von ihrem Werk, dem Gehäuse und dem Zifferblatt sehr ähnlich und hätten ihren Ursprung in Neuwied.

Das Besondere zu Stahlschmidt sei, dass man viel über ihn wisse, maßgeblich sei ein Artikel von Otto Bäumer, den dieser 1927 verfasst habe. Zu den weiteren bedeutenden Uhrmachern in der Umgebung zählt Fowler Johann Heinrich Graef und Friedrich Müller in Freudenberg, Johann Justus Brücher und Richard Becher in Hilchenbach, sowie Hensel in Niederfischbach und Gebrüder Schmidt in Siegen.

Einen interessanten Aspekt bot Fowler mit seinem Blick auf die fast vergessene Uhrenfabrik „Actien-Gesellschaft für Uhrenfabrikation in Deuz, vorm. Gebr. Jung & Co.“. Die Firma stellte maschinell Uhrenköpfe und Regulatoren her und beschäftigte in ihren besten Zeiten in Siegen 15 und in Deuz 95 Mitarbeiter. Bei der Industrieausstellung in Kassel 1870 soll dort für den preußischen König ein solcher „Regulator“ gekauft worden sein. Die Qualität muss überzeugt haben, denn dann durfte das Unternehmen die Postämter der preußischen Verwaltung mit „Amtsuhren“ beliefern. Leider war der Erfolg nicht von Dauer, die AG musste 1882 Konkurs anmelden. Zwei der erhaltenen Uhren aus der Deuzer Uhrenfabrik sind ebenso im 4Fachwerk-Museum zu sehen.

Damit endete maßgeblich die Uhrenherstellung im Siegerland. In Freudenberg übernahm 1827 Sohn Tillmann von seinem Vater Johann Peter Stahlschmidt die kleine Manufaktur. Dessen Enkel, Ewald Krämer (1863-1938), den die Flecker mit dem Hausnamen „Ticktack“ belegten, wirkte in seiner Werkstatt in der Oranienstraße 5. Ein weiterer Uhrmacher, Georg Friedrich Klein, so weiß Ian Fowler zu berichten, kam 1888 aus Worms zu Wilhelm Müller, heiratete später die Witwe Haas, erstellte das Gebäude des Hotel Moritz in der Oranienstraße, in dem er seitlich sein Uhrmachergeschäft einrichtete. Er pflegte die zahlreichen Standuhren in der Region und führte darüber penibel Buch.

„Wir wollen unsere Ausstellung kontinuierlich verbessern,“ erklärte Fowler am Schluss seines Vortrages. Auf seiner Wunschliste stehen eine Spies-Bodenstanduhr, also ein Werk des Lehrmeisters von J. P. Stahlschmidt, und auch eine Uhr von Brücher aus Hilchenbach sowie authentisches Werkzeug aus der Zeit von Stahlschmidt. Klar ist für ihn: „Wir konzentrieren uns nur auf die Siegerländer Uhren.“

Anschließend hatten die vielen Gäste Gelegenheit, das neu gestaltete Dachgeschoss in Augenschein zu nehmen. Neben der Bürgermeisterin waren auch die Fraktionsvorsitzenden Christoph Reifenberger und Eric Stinner gekommen. Zu den Ehrengästen zählten ebenso Pfarrer Thomas Ijewski und der Hilchenbacher Historiker Gerd Schäfer, der das 1982 eröffnete Stadtmuseum einst konzipiert und auch eine kurze Zeit lang geleitet hatte. Der Dank an diesem Abend galt zudem einerseits den anwesenden Handwerkern Schreiner Quandel und Maler Krafft und andererseits Helmut Langenbach, der regelmäßig die Uhren aufzieht und sie somit für die Besucher am Laufen hält.

Mit Freude wurde auch der Besuch von Christine Schütz registriert, die einst mit ihrem Vater die besondere Stahlschmidt-Janus Uhr auf Norderney entdeckt hatte und damit den Anstoß dazu gab, dass das Meisterwerk anschließend von der Freudenberger Sparkasse erworben werden konnte.

Die Spuren des Hileweges erwandert

Rahmenprogramm zur Ausstellung „Alte Wege und Straßen“ fand großen Zuspruch

Den historischen Hileweg nicht nur als Teil alter Landkarten oder Texten wahrzunehmen, sondern tatsächlich ihn auch zu Fuß erfahren zu erleben, war Anliegen des 4Fachwerk-Museums. So gehörten insgesamt vier geführte Wanderungen zum Rahmenprogramm der aktuellen Ausstellung „Historische Wege und Straßen“ anlässlich der Ersterwähnung jenes Hileweges vor 975 Jahren.

Klaus Siebel-Späth konnte jetzt in sowohl Plittershagen wie in Mausbach zahlreiche interessierte Gäste zu den letzten Exkursionen begrüßen.
In Plittershagen führte Heimatvereins-Vorsitzender Burkhard Leidig die Gruppe an, die zunächst die Natur-Idylle im Hasenborntal mit dem Johannes-Weiher genießen konnten. Das Interesse insgesamt galt dem Grenzgebiet zu Sayn-Altenkirchen. Der Hileweg bildet selbst die Grenze, wie sie in der 1048-Urkunde zum Haiger Kirchsprengel bezeichnet ist. In der Landschaft ist auch dort ein entsprechender Grenzstein mit den Markierungen für Sayn-Altenkirchen und Nassau-Siegen erhalten geblieben. In dessen Nähe muss sich der „Dreiherrige Stein“ auf halben Weg zwischen Engelshäuschen und Oberstöcken befunden haben, an dem einst die der Bistümer Köln (Sauerland), Mainz (Siegerland) und Trier (Haiger Dillenburg) zusammenstießen.
„Ich habe lange und immer wieder gesucht,“ berichtete Burkhard Leidig, aber leider ist das steinerne Dokument bislang nicht gefunden worden. Gleichwohl ist seine Existenz in zahlreichen schriftlichen Dokumenten verbürgt. Jedenfalls scheute die Wandergruppe, zu der auch Bürgermeisterin Nicole Reschke gehörte, keine Mühen, in das Waldes-Dickicht zum wahrscheinlichen Standort vorzustoßen, um dann entlang des kleinen Grenzwalles den Weg durch das dichte Gehölz fortzusetzen.  

Ein weiterer Grenzstreit befindet sich gegenüber der neuen Stallungen des Hofgutes Stöcken.

Beide Exkursionen haben die sogenannte Weingrube, den markanten Bergsattel zwischen Oberstöcken und Obersohlbach, in den Blick genommen. „Hier sind sicher keine Reben angebaut worden,“ erläutert Heinz Fischbach. Der Namen dürfte sich aus den Wortstämmen „Weide“ und „Mulde“ entwickelt haben. Über ihn führte geradewegs der Hileweg. Ein alter Weißdorn-Baum, der etwa in der Mitte der Weingrube stand und an den überlieferten „Gerichtshagdorn“ erinnerte, existiert leider nicht mehr.
Schreckliche Bedeutung gewann die Weingrube während der Hexenprozesse des Wildenburger Landes in den 1650er Jahren, als gefolterte Beschuldigte ihn immer wieder als „Hexentanzplatz“ benannten.
Burkhard Leidig ging hier ausführlich auf den Hof „Wammesflöte“ ein. Aus der einstigen Waldarbeiterhütte hatte sich dieser Wohnhof am Hileweg entwickelt, von dem aus Spanndiensten möglich gewesen sein könnten, wahrscheinlich auch die Funktion eines Versorgungsstützpunktes. Später war das Haus der Ursprung der Leidig-Familien in dieser Gegend.

Herbert Dietershagen, Ortsheimatpfleger von Mausbach, erläuterte die Bedeutung der aus dem Niederfischbacher Raum kommenden Eisenstraße, die den Hileweg oberhalb des Hofes Stöcken kreuzte.

In Mausbach führt heute der „Grenzweg“ auf der alten Hileweg-Trasse, in dessen Fortsetzung auch die ehemalige Dreschscheune des Dorfes stand. „Das war der Mausbacher Schlag, ein Durchgang Richtung Gerndorf und Friesenhagen durch die Siegener Landhecke,“ wusste Heinz Fischbach zu berichten.
Nur wenige Schritte davon entfernt weist ein alter Hohlweg auf eine frühere Spur des Hileweges hin. Herbert Dietershagen befreite jetzt zur Besichtigung ein Teilstück von Unrat: „Ich wollte den eingefahrenen Weg zeigen und wissen, ob die Informationen zur Spurbreite von 1,80 Meter richtig sind.“ Mit seinem Zollstock konnte er demonstrieren, dass die Maßgabe stimmt und ebenso die Tiefe der eingefahrenen Spurrillen messen.

Am kommenden Donnerstag (12. 10. 2023) werden sich Pfarrer Thomas Ijewski und Dieter Siebel in einer weiteren Gesprächsrunde mit dem spannenden Lebens- und Reisebricht von Christian Stahlschmidt, der „Pilgerreise“, beschäftigen. Die Veranstaltung beginnt im 4Fachwerk-Museum um 19:30 Uhr.  

Spannende Details der „Pilgerreise“

Das Leben von Christian Stahlschmidt – vorgestellt von Thomas Ijewski und Dieter Siebel

Thomas Ijewski stellt am Schluss des spannenden Gesprächsabends über Johann Christian Stahlschmidts „Pilgerreise“ die Frage, ob jener wohl damit einverstanden gewesen wäre, dass seine Lebensgeschichte im Mittelpunkt steht. Vermutlich nicht. Denn, so zitiert der Freudenberger Pfarrer aus der 1799 erschienenen Erstausgabe, dort seien bezeichnender Weise nur die Anfangsbuchstaben seines Namens und Geburtsortes verzeichnet. Er habe eigentlich anonym bleiben wollen. „Das Leben sollte hinter seiner Botschaft zurückstehen.“

Wer war der am 3. März 1740 im Flecken geborene Johann Christian Stahlschmidt? Seinem Taufeintrag im Kirchenbuch fügte später ein Pfarrer den griechischen Begriff „Odysseus“ hinzu, um ihn als „Reisenden“ zu charakterisieren. Sich selbst verstand sich Stahlschmidt wohl eher als „Pilger“.

Eine heftige Auseinandersetzung mit seinem Vater gibt den Anstoß zur Flucht aus seinem Elternhaus. Ein theologisches Thema ist der Grund für den Streit. Christian Stahlschmidt liest „verbotene Bücher“ von Jacob Böhme (1575-1624), der sich unzufrieden mit dem offiziellen Luthertum gezeigt hatte, die „Amtskirche“ kritisierte und der für eine unmittelbare Beziehung jedes Menschen zur göttlichen Botschaft eintrat.

Das missfiel Vater Johann Stahlschmidt (1711-1781), der Nachbar des Pfarrers war. Die Stahlschmidts bewohnten das größte Haus des Fleckens, in dem sich heute das „Hotel zur Altstadt“ befindet. Es entsprach dem bürgerlichen Status des Vaters, der sich als Landhauptmann und Notar wie als Besitzer zweier „Stahlfeuer“ einen Namen gemacht hatte. Über entsprechende Größe verfügte sein Hausstand: Neben den Eltern bewohnten acht Geschwister, sechs Stahlschmiede sowie drei Knechte und drei Mägde das Haus, in dem sich zudem ein Pferdestall befand. Auch dies in der „Pilgerreise“ nachzulesen.

Johann Stahlschmidt züchtigte seinen Sohn mit der Peitsche, dieser musste ihm versprechen, nicht weiter Böhmes Schriften zu lesen. Es blieb ihm nur die Flucht.

Thomas Ijewski beschäftigt sich seit 2015 ganz intensiv mit dem Buch und der Lebensgeschichte Christian Stahlschmidts, forschte im In- und Ausland und brachte dabei eine Fülle von Details zutage. So ist der 19-jährige Christian in der Nacht von Sonntag auf Montag am 5. August 1759 vom Flecken aus über die Brüderstraße oder über die Poststraße Richtung Erdingen, Denklingen, Drabenderhöhe und Köln-Deutz losgezogen. Für die etwa 75 Kilometer lange Strecke dürfte er mindestens zwei Tage unterwegs gewesen sein. Denn am darauffolgenden Dienstag bestieg er vor 10:00 Uhr ein Segelschiff, Richtung Amsterdam.

Von Amsterdam aus begannen die Reisen Christian Stahlschmidt nach Asien und zurück, der weitere nach Amerika folgten. Seine zum Teil bedrückenden Erlebnisse schildert das Buch eindringlich, manche setzen ihm so zu, dass er glaubte, seine letzte Stunde habe geschlagen.

1765 kehrt Stahlschmidt nach Europa zurück, auch nach Freudenberg, begibt sich dann erneut nach Amerika, versucht sich an der Produktion von Schnürriemen, nimmt eine Stelle als Hauslehrer bei einem amerikanischen Offizier und Richter an, widmet sich der theologischen Fortbildung. Als Pfarrer steht er sieben Landgemeinden vor, erlebt die amerikanische Revolution und landet 1779 nach neun Jahren in der „Neuen Welt“ wieder in Europa.

Von Freudenberg führt ihn sein Weg über Elberfeld nach Mühlheim an der Ruhr, seinen Lebensunterhalt kann er durch eine lebenslange Jahresrente von 300 Gulden durch eine Gönnerin bestreiten.

1799 wird die „Pilgerreise“ veröffentlicht, im gleichen Jahr beteiligt sich Christian Stahlschmidt an der Gründung der Elberfelder Missionsgesellschaft.

Die zahlreichen Besucher des Vortragabends erlebten abwechselnd die Lesung von originalen Textstellen des Buches durch Dieter Siebel mit entsprechenden weiterführenden Erläuterungen durch Thomas Ijewski.

Diese spannende wie informative Zeitreise wird erneut am Donnerstag, 12. Oktober 2023 um 19:30 Uhr im 4Fachwerk-Museum angeboten.

Führungen durch die Ausstellung „Historische Wege und Straßen“

An folgenden Terminen werden Führungen durch die Ausstellung angeboten.

Mittwoch, 20. September 2023, 15:00 Uhr (Gottfried Theis)

Samstag, 23. September 2023, 15:00 Uhr (Gottfried Theis)

Sonntag, 1. Oktober 2023, 15:00 Uhr (Gottfried Theis)

Samstag, 21. 10. 2023, 15:00 Uhr (Klaus Siebel-Späth)

Samstag, 28. 10. 2023, 15:00 Uhr (Klaus Siebel-Späth)

Die Ausstellung ist noch bis Sonntag, 29.10.2023 immer mittwochs, samstag und sonntag von 14 bis 17 Uhr im 4Fachwerk Museum zu bewundern. Der Eintritt kostet 3 Euro.