Vor 975 Jahren: Der Hileweg in Grenzbeschreibung am 28. April 1048 dokumentiert

Ein historisches Datum lenkt in diesem Jahr die Aufmerksamkeit auf die Verkehrsgeschichte der Region. In einer Urkunde vom 28. April 1048 wird speziell der Hileweg genannt. Er ist darin Teil einer Grenzbeschreibung des Kirchspiels Haiger, die der Erzbischof Eberhard von Trier in diesem Schriftstück bestätigt. Dies liegt nun genau 975 Jahre zurück. Die Arbeitsgruppe Stadtgeschichte des 4Fachwerk-Museums in Freudenberg nimmt dieses Jubiläum zum Anlass, für den Herbst 2023 eine Ausstellung vorzubereiten, die sich insgesamt mit historischen Wegen und Straßen in Freudenberg befasst.

Als „Hileweg“ wird jene Straße bezeichnet, die im Süden in der Wetterau nördlich von Frankfurt a.M. begann, weiter durch das Siegerländer Eisenrevier führte und sein Ende in Essen an der Ruhr zum Westfälischen Hellweg fand.
Für die örtliche Historie kommt dem Hileweg als überregionale Handels- und Heerverbindung Bedeutung zu, da er am Rand des Gebietes der heutigen Stadt Freudenberg verlief. Er führte von Engelshäuschen kommend über Oberstöcken (Plittershagen) und Mausbach zur Gerndorfer Höhe und traf bei Hohenhain auf die Brüderstraße. Über weite Teile verlief parallel zum Hileweg die „Siegener Landhecke“, eine der längsten erhaltenen Landwehren zum Schutze des Siegerlandes.

„Wegeforschung ist kompliziert“, bekennen die Geschichts-Aktiven des 4Fachwerk-Museums. Im Laufe der Zeit änderten sich nicht nur die Bezeichnungen, sondern auch die Verläufe in der Örtlichkeit. So wird der Hileweg ebenso als Teil der Eisenstraße diskutiert, oder die Brüderstraße auch als Brabanter Straße bzw. Köln-Frankfurter-Straße behandelt. Um Zölle oder andere Abgaben zu kassieren, wurden bis dahin übliche Strecken beispielsweise über die Wildenburg und die später entstandene Burg im Flecken verlegt. Wie so oft in der Forschung: „Jede neue Erkenntnis wirft weitere Fragen auf.“

Bei der geplanten Ausstellung wird es ebenso um notwendige Infrastrukturen gehen, wie Zollstellen oder Stadttore, Befestigungen, Wegweiser, Wirtshäuser, Vorspannstationen oder auch um die Entstehung der Karten und die Funktion der „Geometer“.

Die in lateinischer Sprache verfasste Urkunde von 1048 ist nachlesbar im Jahr 1887 von Friedrich Philippi herausgegebenen Siegener Urkundenbuch (SUB). Bereits mehr als 100 Jahre zuvor, 1778, beschäftigte sich der kurpfälzische Hofrat Christoph Jakob Kremer mit jenem Schriftstück und veröffentlichte seine Erkenntnisse in der in Mannheim herausgegebenen „Geschichte des Rheinischen Franziens“. Haiger wird als rheinfränkischer Gau beschrieben. König Konrad I. (881-918) hatte 914 die Taufkirche zu Haiger dem von ihm gegründeten Walpurgisstift in Weilburg übertragen. Darüber hinaus ebenso den königlichen Hof zu Haiger sowie „den Markt und den dritten Königsscheffel des Haigergaus“. Insofern war für nachfolgende Generationen schon wichtig zu wissen, welche Ortschaften zum Haigergau gehörten, um die Abgaben genau bestimmen zu können.

Kremer beschreibt, Erzbischof Eberhard von Trier (1010-1066, Erzbischof 1047-1066) habe den Umfang des Kirchsprengels nach der Neueinweihung der Kirche zu Haiger bestätigt. Einher geht damit die Information der kirchlichen Zugehörigkeit von Haiger zur damaligen Erzdiözese Trier, die sich hier in das Archidiakonat Dietkirchen und das Dekanat Haiger weiter untergliederte. Philippi folgert in seiner Betrachtung, die Westgrenze des Haigerschen Kirchspiels falle mit der Ostgrenze des zum kölnischen Archidiaconat Bonn gehörigen Dekanats Siegburg zusammen. Die Nordgrenze von Stöcken bis zur Quelle der Dietzhölze wäre dann zugleich die Südgrenze der späteren Grafschaft Nassau-Siegen.  Weitere Erkenntnisse zu dem hiesigen historisch-räumlichen Umfeld lieferte der Regional-Forscher Hermann Stausberg. Er definiert den in der 1048-Grenzbeschreibung genannten Begriff „Sprengelohc“ als den Standort des „dreiherrigen Steins“ zwischen Engelshäuschen und Oberstöcken. Denn hier stießen die drei Diözesen Köln, Trier und Mainz zusammen, lange bevor es überhaupt weltliche Herrschaftsbereiche gab.
Die Bezeichnung „Bliggeresbahc“, die ebenfalls in dieser Grenzbeschreibung vorkommt, wird als Grundlage für die urkundliche Ersterwähnung von Plittershagen herangezogen.

In der geschichtlichen Betrachtung kommt dem Kreuzungspunkt von Hileweg und Brüderstraße besondere Bedeutung zu, denn hier entstand später der Ort Hohenhain. Viele Fuhrwerke passierten den kleinen Ort und manche legten hier eine Ruhepause ein. In der Hohenhainer Schulchronik ist nachzulesen, des Öfteren hätten an die hundert Fuhrleute in den drei Herbergen logiert. Freudenberg bzw. Hohenhain sei von seiner Bedeutung als Verkehrsknotenpunkt „das Aachen des Mittelalters“ gewesen, führte Prof. Berthold Stötzel zum Denkmaltag 2008 in einem Vortrag aus. Er, 2009 leider verstorben, war seinerzeit Kopf des Siegerländer Ortskuratoriums der Deutschen Stiftung Denkmalschutz und hatte der Erforschung der alten Handelsrouten und Verkehrswege in unserer Region nach dem Jahr 2000 deutlichen Auftrieb gegeben. Er prägte für die vielen Hohlwege den Begriff „Kulturnarben des Siegerlandes“.

Die spätere Ausstellung im 4Fachwerk-Museum soll am 9. September beginnen. Ein umfangreiches Rahmenprogramm mit Wanderungen und Vorträgen ist ebenfalls in Planung.  

„Buch & Web“ – Zeitspuren-Vortrag mit Dieter Pfau

Zu seinem Vortrag benötigt Dieter Pfau nicht nur Laptop und Beamer, sondern auch einen passablen Internet-Anschluss. Denn sein neuer Zeitspuren-Band versteht er nicht als abgeschlossenes Forschungs-Ergebnis, sondern als Einladung an Interessierte, über die angebotenen Links sich mit Internet-Angeboten immer weiter zu informieren, um die Schätze der heimischen Geschichte zu heben.

Und so konnte Pfau bei seinem Vortrag im 4Fachwerk-Museum zahlreiche ergänzende Inhalte digital präsentieren. An dem Abend stellte er die Kreisgründung Siegen mit der Landvermessung, die traditionelle Gewerbelandschaft und die Veränderung der Wirtschafts- und Erwerbsstrukturen in den Mittelpunkt.
 Der Siegener Landrat von Schenk hatte übrigens 1816 den Freudenberger Feldmesser Siebel zu einem Kartenwerk für den neuen Kreis aufgefordert. Jener Geometer Johann Wygand Siebel (1780-1844) bewohnte das Nachbarhaus des heutigen Museums, Mittelstraße 8-10.
Nach der Bildung des Kreises Siegen 1816 lebten in den 22 Orten des Freudenberger Landes 2.448 Einwohner und im Flecken Freudenberg selbst 618 (1818). Bürgermeister war Johann Klappert.

Nach den verschiedenen zeichnerischen Landaufnahmen wurden die Kataster für die einzelnen Gemeinden entwickelt („Kastralstastistik“), um daraus die Basis für die Besteuerung abzuleiten, die „angemessen und fair“ sein sollte. Dafür wurden die einzelnen Grundstücke genau untersucht und nach Landwirtschaft, Viehbestand, Familiengröße oder Erwerbsgrundlage differenziert. „Angaben, die heute für die Sozialgeschichte einen enormen Wert haben,“ so der Historiker und Autor.

1826 galt es den ersten Westfälischen Provinzial-Landtag zu wählen. Dabei seien allerdings fast 80 Prozent der Bevölkerung nicht wahlberechtigt gewesen. Abstimmen durften nur Männer ab dem 25. Lebensjahr, die mindestens jährlich 12 Thaler als Grundsteuer zahlten. Freudenberg bildete mit Berleburg, Hilchenbach, Laasphe und weiteren elf südwestfälischen Städten einen Wahlbezirk als „Kollektivstadt“. Gewählt werden konnten als Abgeordnete auch nur Personen mit ausreichend großem Grundbesitz, die mindestens 25 Thaler Grundsteuer zahlten. In Freudenberg zählten dazu lediglich fünf Männer. Bei einer 1828 abgehaltenen Wahl zum zweiten Provinzial-Landtag war an zweiter Stelle auf der Liste der wählbaren Männer Anton Gattwinkel aus Niederholzklau mit 26 Thalern Grund- und 12 Thalern Gewerbesteuer vertreten.

Auch für Pfau eine erstaunliche Erkenntnis: Zu jener Zeit war der Kreis Siegen waldreicher als der Kreis Wittgenstein. Der Autor ging ausführlich auf die Entwicklung der traditionellen Siegerländer Wirtschaft ein, die damals durch Erze, Wald und Wasser als Rahmen-bedingungen geprägt war.
 Bestimmend für die weitere Entwicklung dürfte der Chaussee-Bau gewesen sein. In der Region entwickelte sich nach Hagen das zweite Projekt eines frühen privaten Straßenbaues. Der Ausbau der Minden-Koblenzer-Straße nach Kirchen-Sieg sei durch einen Aktienverein von interessierten Gewerbetreibenden, so auch der Gebrüder Jung (Kirchen), realisiert worden. Nach den Recherchen von Dieter Pfau habe Freudenberg damals eine Beteiligung abgelehnt. „Richtiger Schub kam in das Straßenbauprojekt erst, als die Trasse auch als ‚Militärstraße‘ klassifiziert wurde.“

Dieter Pfau erläuterte eingehend, wie die Krise des traditionellen Montangewerbes vielfältige Anpassungsprozesse in Gang setzen. „Es entstand ein neues Unternehmertum, das sich mit den veränderten Wirtschaftsgegebenheiten auseinander setzte.“ Und auch globale Verflechtungen seien zu verzeichnen gewesen, denn die mit dem Rohstoff Lohe gegerbten Häute wurden aus Südamerika eingeführt.

Der Wandel, so Pfau im abschließenden Teil, habe die weitere politische Entwicklung beeinflusst. Es sei ein deutlicher Wandel in der bürgerlichen Öffentlichkeit festzustellen. Politische Themen hätten ihren Niederschlag in den „Vor-März-Zeiten“ in heftigen Leserbrief-Kontroversen gefunden. Im Königreich Preußen galt noch die Zensur und als offizieller Zensor vor Ort war der Landrat bestellt, dem morgens ein Andruck der Zeitung zur Genehmigung vorzulegen war.

Die Verbindung aus „Buch und Web“ führte zu einem anredenden Vortragsabend. Für die 4Fachwerker erfreulich, dass so viele Gäste, für die anfangs immer mehr Stühle aufgestellt werden mussten, Interesse an der spannenden Geschichtsstunde fanden.  Das Buch „Zeitspuren, Teilband 1, Siegerland und Wittgenstein im preußischen 19. Jahrhundert, ist jetzt im örtlichen Buchhandel zu erwerben.