ERINNERUNG AN ZWEI SIEGERLÄNDER KÜNSTLER-PERSÖNLICHKEITEN

4FACHWERK-MUSEUM PRÄSENTIERT THEO MEIER-LIPPE UND RUTH FAY

Zur jungen Tradition des Freudenberger 4Fachwerk-Museums gehört die Erinnerung an bekannte verstorbene Siegerländer Künstler. In dieser Reihe werden in diesem Jahr Werke von Theo Meier-Lippe und Ruth Fay gezeigt. Die Präsentation dauert bis zum 23. Januar 2022.

Viele Monate war Dr. Ingrid Leopold für die Ausstellungs-Vorbereitung unterwegs, um maßgebliche Stücke aus dem jeweiligen schöpferischen Schaffen der beiden Künstler zu erhalten: „Viele Menschen und Institutionen unterstützen uns mit Leihgaben und freuen sich, wenn die Werke so konzentriert einem größeren Publikum vorgestellt werden können.“ Ihr Dank galt dabei auch dem Kreisarchiv.

Die aktuelle Corona-Entwicklung ließ die Ausstellungseröffnung nur in eingeschränktem Umfang zu.

Jahrzehnte ist es her, dass bereits Werke von beiden zusammen in einer Ausstellung zu sehen waren. „Zeitgenössische Kunst in Westfalen“ hieß die Präsentation aus Anlass des Westfalentages 1954 in Siegen. Eine „Jury mit Abstand“ mit Kunstsachverständigen also u. a. aus Köln, Frankfurt und Paris hatten aus eingereichten Arbeiten eine Auswahl getroffen. Die Kritik sprach damals von einer „bemerkenswerten Ausstellung“ und von „dem rühmlichen Nachweis einer vergleichsweise starken, allgemeingültigen kunstschöpferischen Potenz in Westfalen.“ Ruth Fay stellte ein Knabenportrait und eine Keramik-Arbeit „Madonna“ aus. Über ihren Künstlerkollegen hieß es: „Die Bilder von Theo Meier-Lippe bilden einen der stärksten Anziehungspunkte und ragen durch ihre farbige Lebendigkeit und starke ästhetische Sprache hervor.“ Seine Bilder seien angelehnt an die großen Meister der Gegenwart.

„Beide, zugleich auch Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft Siegerländer Künstler (ASK), hatten sich schon früh einen Namen und Wertschätzung erarbeitet und sind es also mehrfach wert, ihr künstlerisches Wirken jetzt nachwachsenden Generationen vorzustellen,“ findet 4Fachwerk-Vorsitzender Dieter Siebel, der selbst Theo Meier-Lippe in seiner eigenen Ausbildung noch als Dozenten erlebte. Insofern gestaltete sich sein Eröffnungsvortrag als eine Zeitreise in die eigene Jugend: 1956 wollte er bei Meier-Lippe in Kaligraphie ausgebildet werden. Daraus wurden drei intensive Jahre des Lernens einer ganzen Palette künstlerischer Ausdrucksformen. Dank Unterstützung seines Lehrers schloss sich dem die Werkkunstschule an. Noch heute verehrt Dieter Siebel den „älteren Herren im weißen Kittel“, der so intensiv Können und Ruhe ausgestrahlt habe: „Er setzte sich neben einen und widmete sich jedem Schüler mit großer Geduld, machte aus seinem Wissen und seinen Fertigkeiten kein Geheimnis. Es war ihm ein echtes Anliegen, junge Menschen zu fördern.“ Gerne erinnert sich Dieter Siebel ebenso an die zahlreichen Exkursionen mit ihm zu anderen Künstlern oder an die Zeiten, als Theo Meier-Lippe für das Apollo-Kino die großen Film-Außenplakate gestaltete.

Theo Meier-Lippe war 1934 ins Siegerland gekommen. In einem Turmzimmer auf Schloss Varenholz an der Weser hatte er zuvor, 1933, ein großes Atelier für seine künstlerische Arbeit genutzt. Er ist ein Kind des Lipper-Landes, wird am 17. Februar 1907 in Hohenhausen im Kreis Lemgo geboren.

Theo Meier-Lippe beginnt handwerklich eine Ausbildung zum Maler, dann führt den 19-jährigen sein Weg zur Kunstgewerbeschule in Kassel. Bereits zwei Jahre später,1928, beteiligt er sich an einer Gruppenausstellung in der Kunsthalle Düsseldorf. Die Künstler-Ausbildung setzt sich klassisch fort: Nach dem Studium an der Rijksacademie für bildende Künste Amsterdam zieht es ihn nach Paris zur Academie Grande Chaumière. In beiden Städten begeistern ihn die Kunst der großen alten Meister, die er in den Museen dort intensiv studieren kann und die ihn maßgeblich beeindrucken. Zurück in Deutschland zieht ihn die „Neue Sachlichkeit“ in ihren Bann, es entstehen großflächige Landschaften und figürliche Kompositionen.

Später in Siegen wird er sich der abstrakten Malerei und der Grafik als seinem Ausdrucksmittel zuwenden. Ein weiteres Arbeitsfeld stellen zahlreiche Aufträge im Bereich „Kunst am Bau“ dar. Als Weiterentwicklung der Wandmalerei entdeckt er für sich die Sgraffito-Technik neu, eine Kratzputztechnik. Teile der oberen Putzschicht werden abgekratzt werden, um darunter liegende Schichten freizulegen. Eine gewünschte Darstellung wird so durch die unterschiedlichen Farbnuancen erzeugt. Ein Beispiel in Freudenberg dafür ist die Darstellung des Hirten mit den Schafen auf der Giebelseite des im 1. Juli 1957 bezogenen Mutterhauses „Friedenshort“ („Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln.“)

Theo Meier-Lippe ist es ein starkes Anliegen, sein Wissen weiterzugeben und Talente zu fördern. Gemeinsam mit Rudolf Fehling gründet er 1948 die Fachschule für Malen und Zeichnen in Siegen. Er unterrichtet an der Weidenauer Berufsschule, ihm wird das Fach „Kunsterziehung“ am Siegener städtischen Mädchengymnasium übertragen, ebenso wirkt er als Kunsterzieher am Löhrtor-Gymnasium. Theo Meier-Lippe stirbt am 1. Februar 1980. Seinen Siegerländern Kunst-Kolleginnen und Kollegen fühlte er sich eng verbunden, so übernahm er den Vorsitz der Arbeitsgemeinschaft Siegerländer Künstler (ASK). Der Lippische Künstlerbund (LKB) nennt ihn einen der produktivsten und wegweisenden Künstler in seinen Reihen.

Der Künstler-Kollegin Ruth Fay widmete sich Dr. Ingrid Leopold in ihrem Eröffnungsreferat. Die letzten Jahre vor ihrem Tod am 3. Juli 2008 hatte Ruth Fay im Siegener Fliednerheim verbracht, wo bis heute ihre Kunstwerke aufgehoben werden.

Sie war geborene Siegenerin und erblickte am 5. Februar 1923 das Licht der Welt. Die ersten beruflichen Schritte führen in die Siegener Stadtverwaltung, dem Drang zum Künstlerischen folgend, besuchte die damals 25-jährige von 1948 an die Siegener Malfachschule. Direkt im Anschluss, ab 1951, setzte sie ihre Ausbildung an den Kölner Werkkunstschulen fort. Sie studierte bei Prof. Joseph Jäkel, Dozent für Metall-Bildhauerei.

Ihr erstes Atelier richtete sie im Hause ihrer Eltern am Siegener Rosterberg ein, in den 1970er Jahren verlegte sie es in die Marburger Pforte des Oberen Schlosses. Skulpturen, Bilder und textile Kunst sind nun die Schwerpunkte des gestalterischen Schaffens von Ruth Fay. Zu einer ihrer ersten Entwürfe zählt die Statue „Der Walzwerker“ bzw. „Der Jungarbeiter“. Zunächst 1951 als Gips-Modell gefertigt, entsteht ein 40 Zentimeter hoher Eisenguss und 1957 in der Glockengießerei Rincker ein 2,40 Meter hoher und 600 Kg schwerer Bronzeguss. Das Standbild hat bis heute seinen Platz im Siegener Berufskolleg Technik.

Demgegenüber entstehen andererseits abstrakte großformatige Wandteppiche, die als repräsentative Kunst in öffentlichen Gebäuden Verwendung finden.

Für die Stadt Freudenberg entwirft Ruth Fay 1962 ein Mahnmal für die Opfer der Kriege, 1967 erhält sie den Auftrag für ein solches Denkmal in Kaan-Marienborn. Für den öffentlichen Raum in Freudenberg gestaltete Ruth Fay das Bären-Standbild vor der im Mai 1964 eingeweihten Niederndorfer Volksschule und sie gewann mit der Kupferplastik „Schwingungen“ den Wettbewerb für ein Kunstwerk im Atrium des Schulzentrums Eicher-Seite vor Aula und Sporthalle.

Als Lehrerin begleitet sie Generationen auf ihrem Weg zur Verbindung von handwerklichem und künstlerischem Können. Sie unterrichtete von 1960 bis 1970 an der Siegener Volkshochschule, von 1975 bis 1984 leitete sie als Dozentin Kurse in „Plastischem Gestalten“ an der Berufsschule für Technik.

Sie vermute, so Dr. Ingrid Leopold, dass bei vielen Gästen bei der Betrachtung der Kunstwerke die Erinnerung an die Ausbildungszeiten bei Ruth Fay wach werden.

„Bisher haben sich die Ausstellungen, die den bekannten Siegerländer Künstlern gewidmet waren, eines großen Publikums-Zuspruchs erfreut. Gerade jetzt über die Advents- und Weihnachtszeit hinweg gibt es damit einen guten Grund, wieder einmal in den Alten Flecken zu einem Museumsbesuch zu kommen,“ wünschen sich Dr. Ingrid Leopold und Dieter Siebel.

Mit dem Charles Baudelaire Zitat „Lang ist die Kunst, flüchtig das Leben“ hatten Angehörige die Todesnachricht von Ruth Fay überschrieben. Die Freudenberger Ausstellung gibt nun Gelegenheit, Werke der beiden Künstlerpersönlichkeiten in kompakter Form ins Gedächtnis zurückzurufen und sich von der in der Tat langen mentalen Wirkung ihrer visuellen Ausdrucksformen in aller Ruhe neu zu überzeugen.

Im Museum gilt die 2-G-Corona-Regelung (Geimpft/Genesen) Das Haus ist mittwochs, samstags und sonntags von 14:00 Uhr bis 17:00 Uhr geöffnet. Sonderführungen sind nach Absprache möglich.