Schon die neunte Anekdoten-„Lechtstonn“ im 4Fachwerk
Fries` Werner’che hatte mit seiner Mutter, den Fleckern bestens bekannt als Tante Margret vom Kindergarten, den Gottesdienst zum Schulbeginn des Jahrgangs besucht. Dort war mit Inbrunst das Kirchenlied „Jesu hilf siegen, du Fürste des Lebens“ gesungen worden. Den ersten Teil des Strophensatzes bewegte den Jungen am Nachhauseweg immer noch „Jesu hilf siegen“ – und er machte sich so seine Gedanken. Dann meinte er an seine Mutter gewandt: „Singen dann de Sejenner Sonnigs och in der Kirche ‚Jesus hilf Freudenberg‘?“
Eine der Geschichten, die das Leben im Alten Flecken schrieb, die als „Schwätte“ in Erinnerung blieben und jetzt bei der „Lechtstonn“ wieder „das Tageslicht“ erblickten. Denn solche Überlieferungen gaben Dieter Siebel und Martin Quandel im 4Fachwerk-Museum zu Besten. Beide kennen den Flecken seit Kindesbeinen an, interessieren sich für solche Geschichten und haben solche Anekdoten gesammelt.
So begegnen den vielen Museums-Besuchern Urgesteine aus den Altstadt-Gassen, die dort früher lebten und durch bemerkenswerte Begebenheiten zu einer gewissen Berühmtheit gelangten. Immer für Geschichten gut jene „Männer-WG“ in der Mittelstraße, in der die drei Kray-Brüder Robert (Schalterbeamter der Volksbank), Walter (angehender Dentist) und Gustav (Hausmann und Lokalpolitiker) zusammenlebten. Bekannt ist der Streit beim Mittagessen: Der eine ruft „Mach dat Feestern zu“, der andere opponiert „Nu laas et oppen“. Der Dritte schlägt genervt und verärgert den Fensterflügel mit solcher Wucht zu, dass das Glas aus dem Rahmen und zerbrochen zu Boden fällt. „Nu is et zu un opp“. Wer will dieser Weisheit widersprechen?
Dieter Siebel und Martin Quandel erinnern an Weißgerbers Hermann und Lydia, deren Onkel „Weißgerbers Hermann“ dafür bekannt war, die Dinge immer etwas größer zu sehen. „Fröher worrn de Duffeln so gruoss, dat nur ene in en Sack passte“. Deshalb, so der Stellmacher, hätten die auch mit einer Kreissäge verkleinert werden müssen. Als „Kriegsveteran“ erinnerte er sich immer wieder an jenen schrecklichen Moment, als im Schützengraben eine Kanonenkugel Kopf und Körper seines Hauptmanns trennte und der dennoch laut und bestimmt gerufen hätte „Weißgerber übernehmen sie!“
Kämpfe ganz anderer Art hatten Flecker Frauen zu bestehen, wenn sich eine kleine Maus in der Schublade des Küchentisches oder im Oberteil des Küchenschrankes zwischen allerlei Lebensmitteln verschanzt hatten – und das in der „armen Zeit“. Jedenfalls auch Knie’s Tante Frieda hatte an den Kötteln in der Butter entdeckt, dass das kleine graue Nagetier noch in der „Schubbe“ sein musste. Über solche in Gedichtform oder als kleine Geschichten vorgetragenen „Herausforderungen“ konnten die Gäste heute herzlich lachen.
Mit Schmidt’s Theo, Leck’s Ernst, Küsterin Emmi Ohrndorf, Haak‘s Hermann oder mit Stahl’s Karl-Wilhelm verbinden sich lustige Sprüche, die Situationskomik, Schlagfertigkeit und eine besondere Flecker Eigenart dokumentieren, mit den Höhen und Tiefen des täglichen Lebens irgendwie klar zu kommen.
Wieder war die „Lechtstonn“ ein Erfolg, eine „Erzähl-Stunde“ über die es hieß: „Alle lustern, die Uhr tickt und der Opa hustet…“. Es war bereits die neunte Auflage der Erinnerung an Typen und Typisches aus dem Alten Flecken. Allerdings erstmals mit Martin Quandel, der die Premiere bestens meisterte, was der lange Beifall für die beiden Flecker eindrucksvoll zum Ausdruck brachte. Kleinkunst im Alten Flecken, auch die ist so im „4Fachwerk“ zuhause.