Worpswede trifft Freudenberg

4Fachwerk-Mittendrin-Museum präsentiert Heini Linkshänder | „Alles mit Links“-Ausstellung vom 2. Mai bis 27. Juni 2020

Worpswede ist zu einem Synonym für eine attraktive Künstlerkolonie geworden, die Menschen seit mehr als 125 Jahren „verzaubert“. Die Landschaft, die Atmosphäre des Ortes, seine Bewohner und die ganz besonderen Lichtverhältnisse müssen Fritz Mackensen (1866-1953) überwältigt haben. Mit seinen Studienfreunden Otto Modersohn (1865-1943) und dem Münchener Hans am Ende (1864-1918) fasste er im Spätsommer 1889 den Entschluss, hier zu beständig zu leben und zu arbeiten. Zur „Worpsweder Künstlervereinigung“ gesellten sich Fritz Overbeck (1869-1909), Carl Vinnen (1863-1922) und Heinrich Vogeler (1872-1942) hinzu. Natur statt „muffige“ Kunsthochschulen treibt die Neu-Worpsweder an: Der „Drang ins Freie“ vollzieht sich mit dem Streben zu neuen künstlerischen Ausdrucksformen. Intensives Naturerleben fand einen unmittelbaren Weg in die Kunst. Und immer mehr Künstler verwirklichten hier ihren Wunsch zum ursprünglichen Leben und Malen in der Natur.
Kunstgeschichte schrieb Paula Becker (1876-1907), die mit ihren elementaren und reduzierten Darstellungsart als bedeutende Wegbereiterin der Moderne bzw. als „Pionierin des Expressionismus in Deutschland“ gilt.
„Worpswede – es ist ein Wunderland,“ vertraute sie 1897 ihrem Tagesbuch an. Auf dem Barkenhoff, den sich der Jugendstilkünstler Heinrich Vogeler als Wohnsitz hergerichtet hatte, trafen sich immer mehr Schriftsteller und Intellektuelle als „Künstlerfamilie“, unter anderem auch ab 1900 der junge Rainer Maria Rilke: „Es ist Kunst – zu leben!“

Fortwährend pflegt Worpswede sein künstlerisches Erbe in Museen, Galerien und Kunststiftungen; mehr als 130 ortsansässige Künstler und Kunsthandwerker sowie die Künstlerhäuser formen weiterhin den Charakter des Dorfes.

Heute ist die Worpsweder Gegenwartskunst ohne den Namen Heini Linkshänder nicht denkbar. Einen großen Teil seines künstlerischen Wirkens bewahrt und präsentiert die Worpsweder Kunsthalle. Das Freudenberger 4Fachwerk-Mittendrin-Museum zeigt sich sehr dankbar, durch die freundschaftliche Zusammenarbeit mit dieser zahlreiche Heini Linkshänder Objekte, Skulpturen und Kunstblätter präsentieren zu können.
 
Heini Linkshänder (1938 – 2012) arbeitet seit 1972 als freischaffender Bildhauer, Maler, Zeichner und Aktionskünstler. Linkshänder nennt seine Hinwendung zur Kunst „einen Teil der Wirklichkeits-Bewältigung“. Ein tragischer Unfall sorgte für die Weichenstellung in seinem Leben: Der junge Heinrich Strasser, so sein bürgerlicher Name, verliert als 22-jähriger Schreiner bei einem Arbeitsunfall mit der Kreissäge seinen rechten Arm. „Ich habe den Unfall gebraucht, um zur Vollendung zu kommen“, sagt er später über sich. Nun voll und ganz auf künstlerisches Wirken ausgerichtet, wandelt sich Heinrich Strasser namentlich konsequent zu „Heini Linkshänder“. „Kunst ist eine Frage der Entscheidung“, auf die er sich nun vorhaltlos einlässt. Und umfassend: Er zeichnet, malt, druckt, baut Objekte, arbeitet an Installationen, vielfältig sind die Materialien, mit denen er sich auseinandersetzt.
Künstlerische Wegbereiter Linkshänders sind Professor Fritz Wotruba (1907-1975, Wien und Salzburg), der als der bedeutendste österreichische Bildhauer des 20. Jahrhunderts gilt, der Maler und Grafiker Professor Alfons Ortner (1907-1992) in Linz, der Bildhauer Professor Heinrich Kirchner (1902-1984) in München oder auch Professor Joseph Beuys (1921-1986) von der Kunstakademie in Düsseldorf.

Im Jahr 1983 führt ein Stipendium Heini Linkshänder zum ersten Mal nach Worpswede. Schon ein Jahr später wählt er das Künstlerdorf zu seinem Lebensmittelpunkt, baut dort seine „Wohnstatt“, lebt, denkt und arbeitet hier bis zu seinem Tod im Mai 2012. Der Satz, der sein künstlerisches Selbstverständnis zum Ausdruck bringt, ist seiner Todesanzeige vorangestellt: „Meine Heimat ist die Kunst und die sitzt im Kopf“. Dazu passt sein Bekenntnis „Ich habe meinen rechten Arm durch das Denken verlängert“ (1989).

Die Ausstellung der Heini-Linkshänder-Werke „ALLES MIT LINKS“ wird in der Zeit vom 2. Mai bis 27. Juni in Freudenberg gezeigt. Dieter Siebel kuratiert die 4Fachwerk-Ausstellung, der sich ausdrücklich als „Worpswede-Fan“ bekennt und die Künstlerkolonie seit drei Jahrzehnten immer wieder bereist.