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Werner Seekamp: Deutliche Spuren seiner Kunst

Ausstellungseröffnung „SPUREN – ZUSTÄNDE DER VERGÄNGLICHKEIT“

Vor 27 Jahren, 1996, starb Werner Seekamp. Viel zu früh, er war nur 53 Jahre alt geworden. 1943 in Verden/Aller geboren, verbrachte er seine Jugendzeit in Bremen. Hier studierte er an der Hochschule für Gestaltung die Fächer Bildhauerei und Grafik-Design. Sein beruflicher Weg führte ihn nach Siegen, wo er 23 Jahre beruflich als Grafiker tätig war, zugleich wirkte er als Dozent an der Volkshochschule.

Das 4Fachwerk-Museum in Freudenberg präsentiert jetzt eine umfassende künstlerische Rückschau auf Werner Seekamp, der in diesem Jahr seinen 80. Geburtstag hätte feiern können. Liebevoll hat seine Frau Helga Seekamp die Werke ausgesucht: „Es war mir eine Herzensangelegenheit.“ Helga Seekmap ist selbst Künstlerin, 2019 zeigte sie Beispiele ihres eigenen fotografischen Wirkens im Freudenberger Museum.


Werner und Helga Seekamp, also ein Siegerländer Künstlerehepaar, über das es heißt, trotz des frühen Todes des Ehemannes bestehe der ästhetische Dialog bis in die Gegenwart fort. Sie hätten gemeinsam gearbeitet, getrennt produziert und doch gab es Gemeinsamkeiten in der Bildsprache. Helga Seekamp erweist sich also als die beste Wahl als Gesprächspartnerin über die Kunst ihres Mannes.  Der Dialog mit Kurator Michael Müller bildet den Auftakt der Vernissage im Alten Flecken.

Zunächst gilt es, Gemeinsamkeiten festzustellen: Das Ehepaar Seekamp und Michael Müller verbindet die Mitgliedschaft im Arbeitskreis Siegerländer Künstler (ASK). Seekamp wie Müller stammen aus Norddeutschland und fanden aus beruflichen Gründen den Weg ins Siegerland. Ob die nachgesagte „Sturheit“ der Regionen das Verbindende war? Helga Seekamp stellt fest: „Es war gut hier!“ 

Werner Seekamp beflügelten Zufallsfunde, die er in seine Kunstwerke einbaute. Die Sammelleidenschaft „entwerteter Dinge“ können als Zuwendung zu „Spuren“ gewertet werden. Einzelne Fragmente, die er oft spontan verarbeitete, inspirierten ihn und bestimmten den Werdegang des Entstehens seiner Arbeiten. Die „Spuren der Vergänglichkeit“ prägten seine Collagen.  

Eine Parallelität im Kunstprozess, dem sich auch Michael G. Müller verbunden fühlt. Kunst aus gebrauchten Dingen, ästhetisch anspruchsvoll kombiniert: „Fundstücke sind Ausgangspunkt und Inspirationsquelle für meine vielschichtigen Kompositionen. Spielerische Kombinatorik, Neugier und Ausprobieren bestimmen dabei meinen Schaffensprozess.“ Ab 18. August zeigt er die Ergebnisse während des Kunstsommers 2023 in der KuKu-Produzentengalerie.

Die Retrospektive über die Schaffensphase von Werner Seekamp ist in Freudenberg bis zum 3. September 2023 zu sehen. „Diese Ausstellung verdient viele Gäste,“ so 4Fachwerk-Vorsitzender Dieter Siebel in seiner Begrüßung. Dass so viele Kunstinteressierte zur Vernissage gekommen seien, dürfe ein gutes Omen sein. Dominik Jung sorgte an dem Abend mit seiner Gitarre für einen gelungenen musikalischen Rahmen.

Große Kunstfertigkeit für kleine Welten

Eröffnung der Ausstellung „Welt aus Papier“

Ihre Welt endet zwar mit dem Tischrand, ihre Kreativität ist dagegen grenzenlos: Modellbauer können eine eigene Welt schaffen, mit Pappe Proportionen und Raumzusammenhänge gestalten. Kaum eine andere Darstellungsform ermöglicht diese sinnlich-haptische Wahrnehmung von Architektur oder gegenständlichem Design. Der Welt des Modellbaus aus Papier ist jetzt eine Ausstellung im Freudenberger 4Fachwerk-Museum gewidmet. Vorsitzender Dieter Siebel konnte wieder zahlreiche interessierte Gäste zur Eröffnung begrüßen.

Bei den Brüder Rainer und Werner Petruck lässt sich eine „familiäre Vorbelastung“ für ihr Hobby nicht verleugnen. Schon ihr Vater baute Schiffsmodelle aus Holz. Der 99-Jährige pflegt seine Leidenschaft bis heute, erzählen die beiden im Gespräch mit Kuratorin Dr. Ingrid Leopold bei der Vernissage. Im Alter von zehn bis 14 Jahren bastelten sie damals bis nachts. Doch dann belegte zunächst ein anderes Hobby neben Beruf und Familie ihren Lebensmittelpunkt. Beide brillierten als Musiker, anfangs bei der bekannten Siegerländer Band „The Mashrooms“.  Erst so „mit Fünfzig“ rückte der Modellbau bei ihnen wieder ins Blickfeld. Sie verschrieben sich dem Werkstoff Papier und gehen seitdem mit Enthusiasmus ans Werk.

Gebäude und Straßenszenen sind die Spezialität von Rainer Petruck. In seinen Dioramen setzt er Häuser in eine Landschaft und ergänzt sie zusätzlich mit Figuren oder Fahrzeugen. „Es sollen Bilder aus dem Leben entstehen“, sagt er. Ein polnischer Kollege lenkte seine Aufmerksamkeit auf die französische Stadt Lisieux, die vor ihrer Zerstörung im II. Weltkrieg als mittelalterliches Schmuckstück mit normannischen Fachwerkhäusern galt. Mit liebevoller Detailtreue und seinem gestalterischen wie handwerklichen Geschick ließ er in 18-monatiger Bauzeit nach historischem Bildmaterial alte Baukörper von dort aus Pappe entstehen. Ihm gelingt es mit seiner Darstellung, dass diese bauliche Vergangenheit nicht zu einer „vergessenen Welt“ gehört, sondern er sie anschaulich in Erinnerung ruft und zu Bewunderung für eine unverwechselbare Identität-stiftende Baukultur führt. Rainer Petruck‘s Modelle setzen ein Ausrufezeichen, stellen mehr als „heile Welt“ dar, weil im Auge der Betrachter der Kontrast zu häufig fehlendem Flair mancher heutiger städtebaulicher Normarchitektur deutlich wird.

Werner Petrucks Interesse gilt der maritimen Welt. Mit Skalpell und Lupe baut der studierte Elektrotechniker Schiffsmodelle, wie gesagt aus Papier. Die Ausstellungsbesucher konnten es kaum glauben: Vor ihnen steht ein Miniatur-Ozean-Riese aus bis zu 8000 Teilen, bei dem selbst 450 Stühle an 150 Tischen nicht fehlen. In unzähligen Stunden konzentrierten Arbeitens nehmen dreidimensionale Schiffskörper ihre detailgetreue Gestalt an.  Auch der Dritte im Bunde, der seine Werke im 4Fachwerk-Museum ausstellt, 

Reinhard Fabisch aus Menden, begann seine Modellbau-Karriere als Kind. Eine Ritterburg zählt zu seinen ersten Werken. Doch ebenso bei ihm ruhte sein Hobby – bis zum Jahr 2007. Erste gebaute Miniaturen entstanden als besondere Geschenke für Freunde und Familie. Er schwärmte für Motorräder: „Ich habe solche als Modelle aus Papier gebaut, als Illusion, wie ich mir meinen ‚Feuerstuhl‘ wünschte.“ Fabisch interessierte sich für antiquarische Risse alter Schiffe und entdeckte einen Bausatz der Galeone „Roter Löwe“, eines 1597 in den Niederlanden gebauten Segelschiffes. „Der entsprach allerdings nicht der Wirklichkeit,“ recherchierte er und entwickelte für sich Baupläne, die dem Originalzustand entsprachen. Und dann legte er mit handwerklicher Kunstfertigkeit los. Der zweite Schritt der Entwicklung: Das Schiff legt jetzt vor dem Modell des Danziger Krantores an.
Forschungsarbeit und genaue Beobachtung vor Ort begleitete Reinhard Fabisch ebenso bei dem Projekt „Burg Altena“. Sogar Drohnenaufnahmen nutzte er, um das Umfeld zu erkunden, damit sein Modell detailgetreu in eine Landschaft hineinpasst.

Die Ausstellung im 4Fachwerk-Museum lässt erkennen, dass auch in Zeiten von Virtual-Reality-Brillen und vieler digitaler Werkzeuge „gebastelten Miniaturen“ durchaus eine Zukunft bleibt. Die Modelle sorgten für intensives gemeinsames Betrachten, für Fragen nach Details oder geschichtlichen Hintergründen, auch nach Technik und boten so reichlich Gesprächsstoff.  Viel Bewunderung galt den passionierten Modellbauern für ihre eingesetzte Zeit, ihre Kreativität, für ihre Beharrlichkeit, Qualität im Kleinen umzusetzen.

Die Präsentation „Die Welt aus Papier“ ist in Freudenberg bis zum 9. Juli 2023 zu sehen. Nicht nur etablierte Modelbau-Fans werden hier auf ihre Kosten kommen.

Vor 975 Jahren: Der Hileweg in Grenzbeschreibung am 28. April 1048 dokumentiert

Ein historisches Datum lenkt in diesem Jahr die Aufmerksamkeit auf die Verkehrsgeschichte der Region. In einer Urkunde vom 28. April 1048 wird speziell der Hileweg genannt. Er ist darin Teil einer Grenzbeschreibung des Kirchspiels Haiger, die der Erzbischof Eberhard von Trier in diesem Schriftstück bestätigt. Dies liegt nun genau 975 Jahre zurück. Die Arbeitsgruppe Stadtgeschichte des 4Fachwerk-Museums in Freudenberg nimmt dieses Jubiläum zum Anlass, für den Herbst 2023 eine Ausstellung vorzubereiten, die sich insgesamt mit historischen Wegen und Straßen in Freudenberg befasst.

Als „Hileweg“ wird jene Straße bezeichnet, die im Süden in der Wetterau nördlich von Frankfurt a.M. begann, weiter durch das Siegerländer Eisenrevier führte und sein Ende in Essen an der Ruhr zum Westfälischen Hellweg fand.
Für die örtliche Historie kommt dem Hileweg als überregionale Handels- und Heerverbindung Bedeutung zu, da er am Rand des Gebietes der heutigen Stadt Freudenberg verlief. Er führte von Engelshäuschen kommend über Oberstöcken (Plittershagen) und Mausbach zur Gerndorfer Höhe und traf bei Hohenhain auf die Brüderstraße. Über weite Teile verlief parallel zum Hileweg die „Siegener Landhecke“, eine der längsten erhaltenen Landwehren zum Schutze des Siegerlandes.

„Wegeforschung ist kompliziert“, bekennen die Geschichts-Aktiven des 4Fachwerk-Museums. Im Laufe der Zeit änderten sich nicht nur die Bezeichnungen, sondern auch die Verläufe in der Örtlichkeit. So wird der Hileweg ebenso als Teil der Eisenstraße diskutiert, oder die Brüderstraße auch als Brabanter Straße bzw. Köln-Frankfurter-Straße behandelt. Um Zölle oder andere Abgaben zu kassieren, wurden bis dahin übliche Strecken beispielsweise über die Wildenburg und die später entstandene Burg im Flecken verlegt. Wie so oft in der Forschung: „Jede neue Erkenntnis wirft weitere Fragen auf.“

Bei der geplanten Ausstellung wird es ebenso um notwendige Infrastrukturen gehen, wie Zollstellen oder Stadttore, Befestigungen, Wegweiser, Wirtshäuser, Vorspannstationen oder auch um die Entstehung der Karten und die Funktion der „Geometer“.

Die in lateinischer Sprache verfasste Urkunde von 1048 ist nachlesbar im Jahr 1887 von Friedrich Philippi herausgegebenen Siegener Urkundenbuch (SUB). Bereits mehr als 100 Jahre zuvor, 1778, beschäftigte sich der kurpfälzische Hofrat Christoph Jakob Kremer mit jenem Schriftstück und veröffentlichte seine Erkenntnisse in der in Mannheim herausgegebenen „Geschichte des Rheinischen Franziens“. Haiger wird als rheinfränkischer Gau beschrieben. König Konrad I. (881-918) hatte 914 die Taufkirche zu Haiger dem von ihm gegründeten Walpurgisstift in Weilburg übertragen. Darüber hinaus ebenso den königlichen Hof zu Haiger sowie „den Markt und den dritten Königsscheffel des Haigergaus“. Insofern war für nachfolgende Generationen schon wichtig zu wissen, welche Ortschaften zum Haigergau gehörten, um die Abgaben genau bestimmen zu können.

Kremer beschreibt, Erzbischof Eberhard von Trier (1010-1066, Erzbischof 1047-1066) habe den Umfang des Kirchsprengels nach der Neueinweihung der Kirche zu Haiger bestätigt. Einher geht damit die Information der kirchlichen Zugehörigkeit von Haiger zur damaligen Erzdiözese Trier, die sich hier in das Archidiakonat Dietkirchen und das Dekanat Haiger weiter untergliederte. Philippi folgert in seiner Betrachtung, die Westgrenze des Haigerschen Kirchspiels falle mit der Ostgrenze des zum kölnischen Archidiaconat Bonn gehörigen Dekanats Siegburg zusammen. Die Nordgrenze von Stöcken bis zur Quelle der Dietzhölze wäre dann zugleich die Südgrenze der späteren Grafschaft Nassau-Siegen.  Weitere Erkenntnisse zu dem hiesigen historisch-räumlichen Umfeld lieferte der Regional-Forscher Hermann Stausberg. Er definiert den in der 1048-Grenzbeschreibung genannten Begriff „Sprengelohc“ als den Standort des „dreiherrigen Steins“ zwischen Engelshäuschen und Oberstöcken. Denn hier stießen die drei Diözesen Köln, Trier und Mainz zusammen, lange bevor es überhaupt weltliche Herrschaftsbereiche gab.
Die Bezeichnung „Bliggeresbahc“, die ebenfalls in dieser Grenzbeschreibung vorkommt, wird als Grundlage für die urkundliche Ersterwähnung von Plittershagen herangezogen.

In der geschichtlichen Betrachtung kommt dem Kreuzungspunkt von Hileweg und Brüderstraße besondere Bedeutung zu, denn hier entstand später der Ort Hohenhain. Viele Fuhrwerke passierten den kleinen Ort und manche legten hier eine Ruhepause ein. In der Hohenhainer Schulchronik ist nachzulesen, des Öfteren hätten an die hundert Fuhrleute in den drei Herbergen logiert. Freudenberg bzw. Hohenhain sei von seiner Bedeutung als Verkehrsknotenpunkt „das Aachen des Mittelalters“ gewesen, führte Prof. Berthold Stötzel zum Denkmaltag 2008 in einem Vortrag aus. Er, 2009 leider verstorben, war seinerzeit Kopf des Siegerländer Ortskuratoriums der Deutschen Stiftung Denkmalschutz und hatte der Erforschung der alten Handelsrouten und Verkehrswege in unserer Region nach dem Jahr 2000 deutlichen Auftrieb gegeben. Er prägte für die vielen Hohlwege den Begriff „Kulturnarben des Siegerlandes“.

Die spätere Ausstellung im 4Fachwerk-Museum soll am 9. September beginnen. Ein umfangreiches Rahmenprogramm mit Wanderungen und Vorträgen ist ebenfalls in Planung.  

„Buch & Web“ – Zeitspuren-Vortrag mit Dieter Pfau

Zu seinem Vortrag benötigt Dieter Pfau nicht nur Laptop und Beamer, sondern auch einen passablen Internet-Anschluss. Denn sein neuer Zeitspuren-Band versteht er nicht als abgeschlossenes Forschungs-Ergebnis, sondern als Einladung an Interessierte, über die angebotenen Links sich mit Internet-Angeboten immer weiter zu informieren, um die Schätze der heimischen Geschichte zu heben.

Und so konnte Pfau bei seinem Vortrag im 4Fachwerk-Museum zahlreiche ergänzende Inhalte digital präsentieren. An dem Abend stellte er die Kreisgründung Siegen mit der Landvermessung, die traditionelle Gewerbelandschaft und die Veränderung der Wirtschafts- und Erwerbsstrukturen in den Mittelpunkt.
 Der Siegener Landrat von Schenk hatte übrigens 1816 den Freudenberger Feldmesser Siebel zu einem Kartenwerk für den neuen Kreis aufgefordert. Jener Geometer Johann Wygand Siebel (1780-1844) bewohnte das Nachbarhaus des heutigen Museums, Mittelstraße 8-10.
Nach der Bildung des Kreises Siegen 1816 lebten in den 22 Orten des Freudenberger Landes 2.448 Einwohner und im Flecken Freudenberg selbst 618 (1818). Bürgermeister war Johann Klappert.

Nach den verschiedenen zeichnerischen Landaufnahmen wurden die Kataster für die einzelnen Gemeinden entwickelt („Kastralstastistik“), um daraus die Basis für die Besteuerung abzuleiten, die „angemessen und fair“ sein sollte. Dafür wurden die einzelnen Grundstücke genau untersucht und nach Landwirtschaft, Viehbestand, Familiengröße oder Erwerbsgrundlage differenziert. „Angaben, die heute für die Sozialgeschichte einen enormen Wert haben,“ so der Historiker und Autor.

1826 galt es den ersten Westfälischen Provinzial-Landtag zu wählen. Dabei seien allerdings fast 80 Prozent der Bevölkerung nicht wahlberechtigt gewesen. Abstimmen durften nur Männer ab dem 25. Lebensjahr, die mindestens jährlich 12 Thaler als Grundsteuer zahlten. Freudenberg bildete mit Berleburg, Hilchenbach, Laasphe und weiteren elf südwestfälischen Städten einen Wahlbezirk als „Kollektivstadt“. Gewählt werden konnten als Abgeordnete auch nur Personen mit ausreichend großem Grundbesitz, die mindestens 25 Thaler Grundsteuer zahlten. In Freudenberg zählten dazu lediglich fünf Männer. Bei einer 1828 abgehaltenen Wahl zum zweiten Provinzial-Landtag war an zweiter Stelle auf der Liste der wählbaren Männer Anton Gattwinkel aus Niederholzklau mit 26 Thalern Grund- und 12 Thalern Gewerbesteuer vertreten.

Auch für Pfau eine erstaunliche Erkenntnis: Zu jener Zeit war der Kreis Siegen waldreicher als der Kreis Wittgenstein. Der Autor ging ausführlich auf die Entwicklung der traditionellen Siegerländer Wirtschaft ein, die damals durch Erze, Wald und Wasser als Rahmen-bedingungen geprägt war.
 Bestimmend für die weitere Entwicklung dürfte der Chaussee-Bau gewesen sein. In der Region entwickelte sich nach Hagen das zweite Projekt eines frühen privaten Straßenbaues. Der Ausbau der Minden-Koblenzer-Straße nach Kirchen-Sieg sei durch einen Aktienverein von interessierten Gewerbetreibenden, so auch der Gebrüder Jung (Kirchen), realisiert worden. Nach den Recherchen von Dieter Pfau habe Freudenberg damals eine Beteiligung abgelehnt. „Richtiger Schub kam in das Straßenbauprojekt erst, als die Trasse auch als ‚Militärstraße‘ klassifiziert wurde.“

Dieter Pfau erläuterte eingehend, wie die Krise des traditionellen Montangewerbes vielfältige Anpassungsprozesse in Gang setzen. „Es entstand ein neues Unternehmertum, das sich mit den veränderten Wirtschaftsgegebenheiten auseinander setzte.“ Und auch globale Verflechtungen seien zu verzeichnen gewesen, denn die mit dem Rohstoff Lohe gegerbten Häute wurden aus Südamerika eingeführt.

Der Wandel, so Pfau im abschließenden Teil, habe die weitere politische Entwicklung beeinflusst. Es sei ein deutlicher Wandel in der bürgerlichen Öffentlichkeit festzustellen. Politische Themen hätten ihren Niederschlag in den „Vor-März-Zeiten“ in heftigen Leserbrief-Kontroversen gefunden. Im Königreich Preußen galt noch die Zensur und als offizieller Zensor vor Ort war der Landrat bestellt, dem morgens ein Andruck der Zeitung zur Genehmigung vorzulegen war.

Die Verbindung aus „Buch und Web“ führte zu einem anredenden Vortragsabend. Für die 4Fachwerker erfreulich, dass so viele Gäste, für die anfangs immer mehr Stühle aufgestellt werden mussten, Interesse an der spannenden Geschichtsstunde fanden.  Das Buch „Zeitspuren, Teilband 1, Siegerland und Wittgenstein im preußischen 19. Jahrhundert, ist jetzt im örtlichen Buchhandel zu erwerben.

Ein neue Blick auf Geschichte des 19. Jahrhunderts

Präsentiert von Dieter Pfau am 20. April 2023 um 18.00 Uhr

Es sind Standart-Werke für die Geschichte von Siegen Wittgenstein: Die Zeitspuren-Bände. Jetzt gibt es aktuell das zweite Werk, das sich mit dem preußischen 19. Jahrhundert in unserer Region beschäftigt. Das Historiker-Team Dieter Pfau und Elisabeth Strautz haben dafür 2018 ihre Forschungstätigkeit aufgenommen.

Dieter Pfau wird das Werk am Donnerstag, 20. April 2023, 18:00 Uhr, im 4Fachwerk-Museum (Mittelstraße 4-6) vorstellen. Der inhaltliche Schwerpunkt des Vortrags liegt auf dem Freudenberger Raum.

Die Ausführungen führen zurück in die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts. Viele der bis heute reichenden wirtschaftlichen, sozialen, politischen und kulturellen Entwicklungen nehmen in dieser Zeit ihren Anfang. Mit Gründung der Kreise Siegen und Wittgenstein 1816 und 1817 beginnt der moderne Verwaltungsaufbau. Vorher unbefestigte Wege werden zu Chausseen ausgebaut, aus denen sich allmählich unser heutiges Straßennetz entwickelt. Die trigonometrische Vermessungsmethode ermöglicht erstmals exakte Kartenaufnahmen, Katasterämter und Steuerbehörden entstehen. Die traditionelle Wirtschaftsweise verliert durch technische Innovationen und den globalen Handel an Bedeutung. Mit Einführung der Gewerbefreiheit und Durchsetzung der kapitalistischen Wirtschaftsweise entsteht das neue Unternehmertum. Die Einführung der revidierten Städteordnung ermöglicht neue, noch an Besitzrechte gebundene Mitspracherechte und erste, in Ansätzen schon demokratische Wahlen. Vor dem Hintergrund einer noch zensierten Presse entsteht in der Stadt Siegen eine politische Öffentlichkeit, die auch in kleine Städte wie Freudenberg ausstrahlt.

Bei seiner Interpretation der „Zeitspuren in Siegerland und Wittgenstein“ führt Dieter Pfau die ersten Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts mit Hilfe zahlreicher, einzigartiger Karten und Abbildungen auch diesmal wieder sehr anschaulich vor Augen. Das neue Zeitspuren-Buch zeichnet sich wieder durch eine aufwendige Gestaltung und reichhaltige Illustrierung aus und ist zugleich mit einer begleitenden Internet-Präsentation verbunden. Durch Link-Tipps können abgedruckte Karten und Illustrationen zusätzlich am Bildschirm in hoher Auflösung betrachtet werden.
Der Eintrittspreis für die Vortragsveranstaltung beträgt 4 Euro.

MOMENTE DES LEBENS

Der Siegener Künstler Christian Feigs zeigt seine Werke in Freudenberg

„Charakterköpfe, die er bei spontanen Begegnungen aufgenommen hat, sind die Stärke von Christian Feigs,“ lobt 4Fachwerk-Vorsitzender bei der Ausstellungseröffnung den Künstler, der aktuell seine Werke in Freudenberg zeigt.

Christian Feigs, Jahrgang 1971, absolvierte in Siegen ein Architekturstudium, lebt heute in der Krönchenstadt und leitet bei der Gemeinde Burbach eine Stabsstelle für Wirtschaftsförderung und Raumplanung.

Neben dem Blick für Quartiersgestaltung oder Baurecht entwickelt der Diplom-Ingenieur als Künstler die Aufmerksamkeit für eine besondere Szenerie, die er bildhaft festhält. Aus seinen Beobachtungen entwickelt sich eine spezifische Foto-Kunst. „Er jagt dem richtigen Augenblick nach und sammelt Momente, die er fotografisch oder literarisch festhält,“ erläutert Kuratorin Dr. Ingrid Leopold den stimmigen Titel der Ausstellung „Momente des Lebens“. 

Die Eröffnung ist als Dialog angekündigt. Der Journalist Tim Lehmann entlockt Christian Feigs Erinnerungen und Einschätzungen über sei Sujet, über sein künstlerisches Vorgehen. Das „Knipsen“ beginnt für ihn bereits in Grundschul-Zeiten, schon früh also setzt sich der junge Christian mit technischen Details wie Belichtung und Blende auseinander.

Das führt in der Weiterentwicklung dazu, immer mehr auch „optisch orientiert“ zu sein. „Fotografieren schärft den Blick auf Dinge, die man sonst nicht sieht,“ erläutert Feigs. Und sein „Sehen“ habe sich immer mehr ausgebildet. „Beobachten“ sei sein Schlüsselwort. „Ich versuche den Moment zu erwischen.“

Arrangierte Studioaufnahmen sind nicht sein Ding, er fühlt sich wohl als „Street-Fotograf“. Vom Abbilden von Architektur wandelt sich der Schwerpunkt zur „Faszination für das Gesicht“. „Mimik erzählt ein ganzes Leben,“ findet der Fotokünstler und kann sich für seine Aufnahmen sowohl für die Unbefangenheit von Kindern wie für die Gesichtslinien von Älteren begeistern, die für ein gelebtes Leben sprächen.

Zu seiner Technik gehört es, den Hintergrund dunkel oder verschwommen zu halten, um die Aufmerksamkeit gezielt auf Augen oder Gesichtszüge zu lenken.

„Beim Anschauen des Bildes von einem Musiker meint man die Töne seines Saxofons zu hören,“ diese starke Ausdruckkraft wünscht sich Christian Feigs. Die besten Aufnahmen entstünden, wenn der Mensch sich unbeobachtet fühlt. Fast zu jedem seiner Bilder könne er eine Geschichte erzählen.

Seine schwarz-weiß-Aufnahmen dominieren die Freudenberger Ausstellung. Farbige Landschafts-Fotos ergänzen sie. Sie entstanden bei einer Island-Reise. „Die beindruckenden Naturschauspiele, extreme Wettersituationen oder Wasserfälle haben mich fasziniert.“

Fotografie visualisiert Personen, Gegenstände oder Räume, die aber ebenso durch „Kopfbilder“ entstehen können: Wenn geschriebene Texte die Fantasie von Lesern und Zuhörern so beflügeln, dass man sich in Geschichten bildhaft hineinversetzt fühlt.

Christian Feigs verbindet Wörter zu Geschichten für die Jüngsten. Seine Tochter habe ihn zum Schreiben gebracht. Zunächst erzählte Geschichten habe er zu Papier gebracht. „Ein wunderbarer Ausgleich zum sonstigen Behördenkram!“  Christian Feigs gehört sowohl dem Deutschen Verband für Fotografie, dem Fotokreis Siegen e.V. wie auch dem Bundesverband junger Autoren an.

Die Bilder und Bücher von Christian Feigs sind im 4Fachwerk-Museum bis zum 14. Mai 2023 zu sehen. Das Museum ist mittwochs, samstags und sonntags von 14:00 Uhr bis 17:00 Uhr geöffnet. Sonderführungen sind nach Absprache möglich. Eine Lesung aus seinen Kinderbüchern ist für den 2. Mai 2023 geplant.