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Märchenhaft, ursprünglich, den Menschen und der Natur nahe

4Fachwerk-Museum zeigt das künstlerische Erbe von Hans und Hanna Achenbach

Schon einmal schmückten Werke von Hans und Hanna Achenbach das 4Fachwerk-Museum in Freudenberg. 2014 begann der damals frisch gegründete Museumsverein mit seiner Ausstellung „Alte Meister“ eine bis heute fortgeführte Tradition: „Einmal im Jahr wollen wir verstorbenen Siegerländer Künstlerinnen und Künstlern Raum geben, die mit ihrem Wirken künstlerische Ausdrucksformen und -Ausbildung in unserer Region einst maßgeblich bestimmt haben,“ erklärt Dr. Ingrid Leopold, die auch wieder als Kuratorin der aktuell bevorstehenden Ausstellung wirkt.

War es 2014 noch Teil einer Übersicht, stehen 2022 Hans Achenbach (1891-1972) und Hanna Achenbach (1892-1982) allein auf dem Programm des ehrenamtlich geführten Museums mitten im Alten Flecken. „Wir sind sehr dankbar, dass wir eine solche Fülle von Arbeiten des Künstler-Ehepaars zeigen können,“ freut sich 4Fachwerk-Vorsitzender Dieter Siebel. Das Museum sei so in der Lage, tatsächlich eine umfassende Palette ihres Könnens zu zeigen.

Ihren gemeinsamen Siegerländer Lebensweg begannen Hans und Hanna Achenbach in (Netphen-) Obernau. Ein wohl gesuchter und gefundener Sehnsuchtsort: „Ich liebe die stille Schönheit Deiner Heimat und ich würde gerne auf einem Dorf und in bäuerlicher Umgebung leben,“ zitiert in einem Bericht Erika Falkson aus einem von Hanna Achenbach in Gleiwitz verfassten Brief an eine Siegener Freundin. „Den Reichtum des einfachen Lebens hat Hans Achenbach an der Quelle aufgesucht,“ porträtiert Hans Löw ihren Ehemann 1953. Die Wahl der Umgebung, die Einsamkeit des Siegerländer Lebens, dürfte ein Wesensbekenntnis sein, heißt es bei ihm weiter.

Am 25. November 1920 hatten Hans Achenbach und Hanna Junemann in Düsseldorf-Eller geheiratet. Beide lernten sich während ihres dortigen Kunststudiums kennen.

Zwei Jahre leben die Achenbachs bescheiden von ihrer künstlerischen Tätigkeit in Obernau. 1923 und 1924 werden ihre beiden Töchter (Karin 1923, Renate 1924) geboren. Ihr Zuhause wird Siegen. Sie wohnen im elterlichen Haus von Hans Achenbach, 1938 konnten sie in ihr eigenes Eigenheim in der Winschenbach einziehen.

Beide üben zugleich einen Lehrberuf aus: Sie unterrichten „künstlerisches Weben“ an der Siegener Auschule. Von 1933 bis 1937 leitet Hans Achenbach den Fachbereich Weben an der Berufsschule für Mädchen in Siegen.

Hanna Achenbach (Maria Johanna Junemann) erblickt am 2. Dezember 1892 in Dortmund das Licht der Welt – als Tochter des Fabrikdirektors Johann Konrad Junemann und seiner Ehefrau Maria.

Als 22-jährige nimmt sie 1914 ihr Studium an der Kunstgewerbeschule in Düsseldorf auf, das bis 1919 andauert. Hier lernt sie ihren Mitstudenten Hans Achenbach kennen und lieben. Wilhelm Ludwig Hans Achenbach, so sein vollständiger Name, entstammt ebenfalls einer Fabrikantenfamilie.

Sein Vater Caspar Gustav Achenbach (1858-1915) war Mitbegründer des „Ohler Eisenwerks Achenbach, Kölsche & Co. Er hatte Emilie Berta Schneider (1865-1944) geheiratet, Hans, geboren am 3. März 1891, ist ihr zweiter Sohn.

Ihren Siegerländer Wurzeln folgend, ziehen die Eltern im Jahr 1900 nach Siegen. Nach dem Besuch des hiesigen Realgymnasiums studiert Hans Achenbach an der Königlich-Preußischen Kunstakademie Düsseldorf, denen sich Ausbildungen an den Kunstgewerbeschulen Düsseldorf und Wuppertal anschließen. Im Jahr 1913 kehrt er zunächst nach Siegen zurück und begibt sich ein Jahr später nach München, um hier aktuelle Kunstentwicklungen mitzuerleben. Der I. Weltkrieg bestimmt dann Hans Achenbachs Biografie. Es heißt, er meldet sich 1915 freiwillig als Soldat und nimmt am Kriegsgeschehen bis 1918 teil. Nach seiner Heirat mit Hanna Junemann sind beide bald dem Siegerland fest verbunden.

Hans Achenbach engagiert sich früh beim 1922 gegründeten Arbeitskreis Siegerländer Künstler (ASK). Eine Zeitungsanzeige (SZ 09. 12. 1922) nennt Hans und Hanna Achenbach-Junemann als Ausstellende („Malerei und Graphik“) bei der „Weihnachtsausstellung des Siegerländer Kunstvereins“ in der „Gesellschaft Erholung“. In den Nachkriegsjahren sind beide dann über Jahrzehnte bei den ASK-Ausstellungen regelmäßig vertreten, Hans Achenbach bezeichnet die Presse als „Nestor der Siegerländer Künstlergemeinschaft“ (SZ 5. 12. 1972). „Er ist als Künstler konsequent seinen Weg gegangen,“ sagt sein Kollege Theo Meier-Lippe über ihn.

Die Betrachtung der Natur, von Landschaften und Tieren, das Beobachten des nahen Umfeldes der Menschen, ihre Arbeitsgewohnheiten im Jahresverlauf verbinden Hans und Hanna Achenbach, die jedoch zu jeweils ganz eigenständigen charakteristischen Ausdrucksformen finden.

Löw zitiert aus einem Brief Achenbachs aus dem Jahr 1947: „Für mich ist das Märchen die Urform aller Kunst.“ Märchen und Mythen hätten seinen Bildern die Signatur gegeben. „Achenbach bleibt immer im Märchenhaften, im Lebendigen, von der Phantasie Beflügeltem,“ unterstreicht die Siegener Zeitung (09. 10. 1954) dieses Merkmal. Seine Werke seien „klar und kindlich, aber nicht kindisch.“ Ähnlich „wie trauliche Volksmärchen, feinfühlig ausgearbeitet, lebendig“ werden seine Monatsblätter beschrieben (SZ 03. 11. 1952). Den Reichtum des einfachen Lebens habe Hans Achenbach an der Quelle aufgesucht.

Hier zeigt sich die Seelenverwandtschaft des Künstlerehepaars. Denn: „Das einfache Leben in ihrem Umkreis regte sie zu vielen starken Bildern an,“ heißt es über Hanna Achenbach. „In ihren Portrait- und Genrebildern von Kindern und einfachen Menschen, Bäuerinnen und Marktfrauen, zeigt sie sich immer wieder als Heimatchronistin,“ schreibt Erika Falkson über sie weiter. Ihre Bilder seinen dem Leben „abgelauscht“, ein Ergebnis intensiver Beobachtung. Hanna Achenbachs Credo: „Ich möchte das (meine Bilder) für alle verständlich sind. Man soll spüren, dass mich die Menschen und das Leben intensiv beschäftigt haben.“

Apropos Heimatchronist: Das vielfältige Siegerländer Leben verewigt Hans Achenbach ebenso auf zahlreichen Kalenderblättern, die in den Ausgaben des „Siegerländer Heimatkalenders“ erschienen sind. In einer bemerkenswerten Artikelfolge haben Alfred Becker, Kirsten Schwarz und Cornelia Becker(-Bartscherer) die Zeichnungen inhaltlich zu- und künstlerisch eingeordnet (SIEGERLAND 2008, 2009) und damit eine wichtige Retrospektive auf sein Werk vorgenommen. „Sein vielfältiges Werk wurde bestimmt von Naturverbundenheit, Tierliebe und der Faszination guter Geschichten,“ so ein Fazit von Kirsten Schwarz (SIEGERLAND 86, 2009).

In Freudenberg wird eine umfängliche Werkschau die nachhaltige Erinnerung an das Ehepaar Achenbach ermöglichen, die Zeitzeugen bereits zu den „profiliertesten Vertreter der Siegerländer Künstlerschaft“ zählten (SZ 01. 12. 1962). Die Besucher werden Werke aus einer anderen Epoche vorfinden, die konzentriert auf das Wesentliche visuelle Informationen vermitteln, wie Emotionen zu wecken vermögen, die ausdrucksstark und charakteristisch spezifische Handschriften erkennen lassen. Auch nach Jahren haben sie von ihrer Wirkung nichts eingebüßt und zeigen bis heute, wie vielschichtig und tiefgründig gerade schlichte Darstellungsweisen sein können. Darin beweist sich die gestalterische Stärke von Hans und Hanna Achenbach, die ein großes künstlerisches Erbe hinterlassen haben, das wert ist, wieder einmal in den Mittelpunkt gerückt zu werden.

Frau Dr. Leopold machte die interessierten Besucherinnen und Besucher im Detail mit den ausgestellten Kunstwerken vertraut. Die umfangreiche Präsentation zeigt, dass Hans Achenbach sich in seinem schöpferischen Wirken mit fast allen Techniken der bildenden Kunst beschäftigte. Er war Maler, Zeichner und Grafiker – schuf Landschaften und Darstellungen aus der Arbeitswelt der Siegerländer, dem Hauberg und der Landwirtschaft, Tiere in expressionistisch beeinflusster Monotypietechnik – Bilder mit christlichen Motiven und Aussagen – Illustrationen zu Büchern (in einer Vitrine finden sich Zeichnungen zur Autobiografie von Jung Stilling: „Henrich Stillings Jugend“).

Hanna Achenbach Junemann war beständiger in ihrer Kunst. Ihre Bilder – vorwiegend in Öl –  sind Momentaufnahmen des Alltags. Sie war naturverbunden, liebte die Siegerländer Landschaft, – Blumen, – ihre Mitmenschen, und insbesondere die Kinder. Entsprechend suchte sie ihre Motive aus und fand bald begeisterte Abnehmer ihrer Kunst. Ihre Blumen – und Kinderbilder waren gefragt, sie sind zeitlos und finden selbst in der Moderne  noch Liebhaber und Liebhaberinnen.

Die gegenständliche Kunst aus der Vergangenheit, die wir Ihnen zeigen, wurde uns von Sammlern bereitwillig zur Präsentation zur Verfügung gestellt. Die meisten Bilder wurden uns von dem Enkel des Künstlerehepaares , Herrn Dr. Grotepaß , überlassen. Sie können zum Teil künstlich erworben werden. Zum Ende der Veranstaltung hat er eine humorvolle „Laudatio“ auf seine Großeltern gehalten. Den persönlichen Worten konnte man entnehmen, dass er sie verehrt und geliebt hat, sowohl den Großvater „Henner“, als auch die Großmutter „Ömi“, die Beide sehr genügsam waren. Die Kunst sei ihr Lebensinhalt gewesen!

Die Ausstellung „Hans und Hanna Achenbach – ein Künstlerehepaar aus dem Siegerland“ beginnt am 5. November 2022 und wird bis zum 22. Januar 2023 im 4Fachwerk-Museum zu sehen sein.

FREUDENBERGER 4FACHWERK KALENDER

Mit historischen Aufnahmen durch das Jahr

Auch in diesem Jahr bietet der 4Fachwerk-Museumsverein wieder einen wertvollen Fotokalender an. Zwölf großformatige Aufnahmen zeigen historische Gebäude oder Straßenszenen. Ihnen werden aktuelle Ansichten gegenüber gestellt. Erläuternde Texte geben informieren über geschichtliche Hintergründe.

Ein Beispiel: Dort, wo heute an der Bahnhofstraße ein Lebensmittelmarkt anzutreffen ist, hatte einst der Arzt Christian Ludwig Berlyn seinen Sitz. Die Villa neben der dort damals stehenden katholischen Kirche entwickelte sich später zum „Hotel Haas“ oder dem „Kölner Hof“. Das im Volksmund nach seinem späteren Besitzer „Villa Homrich“ genannte Gebäude wurde 1978 abgerissen.

„Der Kalender weckt Erinnerungen und zeigt Stadtentwicklung auf,“ so 4Fachwerk-Vorsitzender Dieter Siebel. Die interessante Begleitung durch das Jahr eigne sich gut als Geschenk an liebe Mitmenschen – oder auch für sich selbst im eigenen zuhause.
Von jedem Kalender kommt ein kleiner Betrag dem Erhalt und der Weiterentwicklung des ehrenamtlich geführten Museums zugute. „Jeder Kauf bedeutet also zugleich Unterstützung des Ehrenamtes.“

Der Bildkalender ist ab sofort für 18 Euro erhältlich:
4Fachwerk-Mittendrin-Museum, Mittelstraße 4-6
Atelier Siebel, Kuhlenbergstraße 10
Tourist-Information und Stadtbücherei, KulTourBackes, Kölner Straße 1
Buchhandlung Filousophie, Bahnhofstraße 20
Holzwirtschaft, Marktstraße 15
Liebenswertes, Oranienstraße 20
Sowohnich, Kölnerstraße 6
Galerie Neu & Alt, Olper Straße 1

„ART INJEKTION“ erlebte beeindruckende Eröffnung

Gemeinschaftsausstellung von Sabine Helsper Müller und Lena Reifenhäuser im 4Fachwerk-Museum

Begeisterung ist übertragbar, letztlich auch ohne tatsächliche „Injektion“. Dafür sorgte im Freudenberger 4Fachwerk-Museum die Kölner Kunstexpertin Sabine Klement. Mit Inbrunst stellte sie die beiden Künstlerinnen Sabine Helsper-Müller und Lena Reifenhäuser vor, die ihrer gemeinsamen Ausstellung den Titel „ART INJEKTION“ gaben. Ihr gelang eine genaue wie kurzweilige Anamnese von dem, wie beide an ihr künstlerisches Wirken herangehen. Müller-Helsper und Lena Reifenhäuser haben sich beim gemeinsamen Studium an der rheinischen Alanus-Kunsthochschule kennengelernt und sie verbindet zu dem eine zupackende und herzliche Zugewandtheit, mit ihren Mitmenschen ins Gespräch zu kommen. Ihre ausgestellten Arbeiten sind aktuelle Werke, die durchaus Corona-Bedingungen reflektieren.

„Dabei sind die Beiden in ihrer Herangehensweise sehr unterschiedlich,“ diagnostizierte Sabine Klement. Während Lena Reifenhäuser intuitiv und impulsiv agiere und ihre Kunst von innen heraus fließe, sei der Ausgangspunkt von Sabine Helsper-Müller zunächst nachdenklich und überlegt. Die Vorstellung von Natur arbeite sie in einer abstrahierenden Wirklichkeit künstlerisch aus.

Reifenhäusers Arbeiten auf Buchholzplatten zeigten eine hohe physische Präsenz, entwickelten sich zum Objekthaften und sorgten mit Überhöhung profaner Gegenstände für ein besonderes Spannungsverhältnis. Mit experimenteller und sinnlicher Freude greife sie Struktur und Haptik ihrer Umgebung auf. „Lena Reifenhäusers liebstes Symbol-Tier ist der Frosch,“ verriet die mit Kunstgeschichte so vertraute Referentin. Der Frosch stehe in der asiatischen Kunst für Glück und Wohlstand, für ein neues Lebensgefühl. Wenn sie den Frosch bildhaft in ihren Werken verwende, bringe sie damit Mut zum Ausdruck, loszuspringen und zu sehen, welche Möglichkeiten die Welt biete. „Ihre erstaunliche Bildkraft spricht emotional an, ihre ‚Vorzeichnung im Kopf‘ setzt sie mit solider und gekonnter Handwerklichkeit um.“

Sabine Helsper-Müller ordnete Sabine Klement als „Landschaftsmalerin“ ein. Sie reise, um zu arbeiten in die Natur, sei angezogen von Ortsqualitäten. Zu solchen besonderen Plätzen baue sie eine lange und intensive Beziehung auf, weil diese sich lohnten, immer wieder zu unterschiedlichen Zeiten beobachtet zu werden. Auf Dauer ändere sich der Blick, entstünden neue Nuancen. Helsper-Müller nenne Landschaften „Ansichten“ und arbeite das heraus, was ihr Freude bereite. „Sie lässt die Betrachter zu Teilhabern ihrer Eindrücke werden, ihre Arbeiten laden geradezu zum Dialog ein.“ Für ihre Bilder nutze sie hochpigmentierte Farben, die dann als komplexe Farbschichten den Werken eine enorme räumliche Tiefe gäben. Merkmal ihres Wirkens sei zudem die Verwendung von kostbarem Büttenpapier. Dieses ist zu erkennen, weil Helsper-Müller darauf oft mit Aussparungen arbeite und so der Blick durch Reduktion auf besondere Details gelenkt werde.

„Es ist ein Genuss, sich diese Ausstellung anzusehen,“ schwärmte Sabine Klement und lobte zugleich die wunderbare Atmosphäre des 4Fachwerk-Museums. Dieter Siebel, Vorsitzender des Trägervereins, freute sich sichtlich über die so große Zahl von Gästen, die der Einladung zur Vernissage gefolgt waren. „Zwei starke Frauen, die beeindruckend Kunst können.“ Die Besucherinnen und Besucher nutzen ausgiebig die Gelegenheit, mit den Künstlerinnen und ihrer Laudatorin zu sprechen und „nach Corona“ wieder ganz real Kunst genießen zu können. Einmal mehr zeigte sich das kleine Museum als vitaler Kulturtreff im Alten Flecken.

Die Ausstellung „ART INJEKTION“ wird bis zum 30. Oktober 2022 gezeigt. Das Museum ist mittwochs, samstags und sonntags von 14 bis 17 Uhr geöffnet. Sonderführungen sind nach Absprache möglich. Der Eintritt beträgt drei Euro.

„Lechtstonn“: Geschichten rund ums Essen und Trinken

Die Sommerausgabe der „Lechtstonn“ im 4Fachwerk-Museum kombinierte „Schwitzen und Schwätzen“. Die Temperaturen waren hoch, das Besucherinteresse groß.

Dieter Siebel hatte unter dem Motto „Prost. Mahlzeit.“ interessante Geschichten ums Essen und Trinken aus dem „Flecken“ und seiner Umgebung zusammengetragen. Viele Episoden aus dem Umfeld der Familie Siebel kamen zu Gehör.

Da gings ums „Abkochen“ des Flecker CVJM, der sich in den 1950er Jahren auf große Fahrrad-Tour Richtung Sieg- und Ilsequelle begeben hatte und Schmidt’s Theo als Chefkoch für die Erbsensuppe seinen Dienst tat – mit zahlreich spontan gesuchten Gewürzen aus Wald und Feld. Eine Herausforderung, denn „wenn’s nett schmackt, zahlen mer nix“, hatten die Jungs erklärt.

Noch in der Nachkriegszeit hielten sich viele Flecker im Haus oder Scheune ein Schweinchen, gefüttert mit den übrig gebliebenen Essensresten, wusste Dieter Siebel zu berichten. Unverständnis herrschte im Hause Achenbach „am Platz“, wenn die Kinder das dortige „lustige und quicklebendige kleine Borstenvieh“ mit auf den Schlossplatz zum Ballspielen nahmen. So könne es doch nicht fett werden!

Hausschlachtungen gehörten damals im Winter noch zum üblichen Geschehen, eben wenn’s „saukalt“ war. Auch der durch Anekdoten allseits bekannte Lehrer Albus aus Mausbach wollte bei Metzger Schneider sein geschlachtetes Schwein verwursten lassen und verfolgte die Handlung mit einem eigenen Rezeptbuch. Doch offensichtlich passten die Angaben des Rezeptes nicht zur Menge des Fleisches, worauf der Metzger mehrfach hinwies. Albus wies alle Einwände energisch beiseite: „Es steht geschrieben, es kommt hinein…“ Auch wenn die Wurst anschließend kaum genießbar war.

Schmunzelgeschichten ergaben sich auch rund ums Kaffetrinken, wenn nach dem Krieg der erste Bohnenkaffe wieder aufgebrüht werden konnte – und die Gastgeberin klammheimlich die Anzahl der jeweils getrunkenen Tassen ihrer Besucher-Damen im Blick hatte. Ein Aufatmen, da die Zeit des „Muckefuck“, des aus Eicheln gerösteten Ersatzkaffees, endlich vorbei war.

Auch zu dieser Zeit war das Thema „Abnehmen“ schon aktuell. Dieter Siebel konnte von dem überlieferten wohlmeinenden Rat des bekannten Dr. Schrenk an seine Hausgehilfin erzählen, doch mal einen „Obsttag“ einzulegen. Diese hatte sich dann interessiert erkundigt, ob das Obst vor oder nach der Mahlzeit gegessen werden sollte.

Viele Besucher erinnerten sich gerne an „Franzenbrot“, „Eierkäs“ und die „Dong mit Schmer“ oder die vielen Bäckereien, die es einst im Flecken mit ganz unterschiedlichen Spezialitäten gab. Zu denen zählte auch der „Riewekooche“, den „Nachtwächter“ Richard Flender mit einem speziellen Lied zum Abschluss würdigte.

Gerne nahmen die Gäste die Gelegenheit wahr, sich intensiv über die historischen Fotoansichten aus dem Alten Flecken zu unterhalten, die gegenwärtig mit der Ausstellung „Vom Glas zum Bild“ gezeigt werden und die den Arbeiten des Fotografen Alfred Reppel (1900-1958) gewidmet ist.

„Lechtstonn“ im Freudenberger 4Fachwerk-Museum am 4. August

Reden über Essen und Trinken: „Prost. Mahlzeit.“

Essen und Trinken hält Leib und Seele zusammen, sorgen dafür, dass es uns körperlich gut geht und wir uns wohl fühlen. Über Essen und Trinken gibt’s so manches zu berichten. Über viele Zeiten gabs Nahrung nicht im Überfluss. Morgenkaffee, Mittagsmahlzeit oder Abendbrot waren nicht immer üppig, oft einfach und deftig.

Bei den Mahlzeiten saßen die Flecker beisammen, für’s Kochen musste zuvor eingekauft, „Eingemachtes“ aus dem Keller geholt oder Gemüse im Garten besorgt werden. An alte Rezepte zum Kochen und Backen erinnern sich Generationen.
Jedenfalls, bis die Frage beantwortet werden konnte „Na, härret geschmackt?“, war eine Menge zu erledigen.
Und über all das gibt es eine Menge zu erzählen, haben sich lustige Geschichten entwickelt, wurden „Sprüche geklopft“, sind Anekdoten entstanden.

Über solche zumeist heiteren Begebenheiten berichtet Dieter Siebel in einer Lechtstonn, die passend den Titel „Prost. Mahlzeit.“ trägt. Viele Begriffe rund ums Essen sind im „Platt“ bis heute geläufig und werden hier zu hören sein. Also, die Besucherinnen und Besucher erwarten Geschichten rund um Riewekooche, von Duffeln, über Muggefuk bis hin zu Drüwelcher oder Brommen, eine wortreich-kulinarische Stunde, ein humorvoller Blick zurück.

Die „Lechtstonn“, die Zeit nach der getanen Arbeit, wurde im Flecken gerne genutzt, um sich zu treffen, über Neuigkeiten auszutauschen und Geschichten zu erzählen. Diese Tradition greift Dieter Siebel im Freudenberger 4Fachwerk-Mittendrin-Museum mit seiner Veranstaltungsreihe auf. Die Veranstaltung beginnt am Donnerstag, 4. August 2022 um 18:00 Uhr. Der Eintritt beträgt 5 Euro.


Die Umgebung wird dabei diesmal eine besondere sein: Denn zu diesem Termin werden im Museum großartige historische Aufnahmen des Alten-Flecken-Fotografen Alfred Reppel gezeigt.

Freudenberger Stadtmuseum vor 40 Jahren eröffnet

Der heutige Trägerverein 4FACHWERK erinnerte an das Jubiläum

Die ersten Überlegungen, Freudenbergs Geschichte an einem Ort zu sammeln, lassen sich auf die Zeit nach der kommunalen Neugliederung 1969 datieren.  Galt es doch, die Historie der Gemeinden des alten Amtes Freudenberg als Grundlage für die Geschichte der neuen Stadt zu bündeln. Ganz konkret wurde es nach intensiven Vorüberlegungen im September 1976: Der Grundsatzbeschluss für die Errichtung eines Museums, den Durchbau des Hauses Mittelstraße 4-6 und die Übertragung der Aufgabe an die Landesentwicklungsgesellschaft (LEG) fand die Zustimmung des damaligen Stadtrates.

Der Rahmenplan, den das Dortmunder Architekturbüro LTK für die zukünftige Entwicklung der neuen Großgemeinde entwickelt hatte, sah viele Neubauten unterhalb der Altstadt und Richtung Marktplatz vor. Ausdrücklich war aber auch der „immaterielle Wert“ und die „Gestaltungs-Originalität der historischen Bausubstanz“ im Blick. Und so schien es den Stadtvätern jener Zeit passend, selbst mit einer „Visitenkarte“ im Flecken in einem Fachwerkhaus platziert zu sein. Im November 1979 begannen dann letztendlich die Bauarbeiten. 35 Monate sollte es dauern, bis das Stadtmuseum am 16. Juli 1982 eingeweiht werden konnte.

An diesen runden Geburtstag, an das 40-jährige Jubiläum, erinnerte 4Fachwerk Freudenberg mit einer Festveranstaltung im Rathaussaal. Denn seit 2014 trägt der Museumsverein ehrenamtlich die Verantwortung für das Museum und seine Weiterentwicklung. Als Ehrengäste konnten die ehemaligen Ratsmitglieder Gerd Hilse, Ernst Hoof und Karl-Dieter Uebach als diejenigen Zeitzeugen begrüßt werden, die den damaligen Dringlichkeitsbeschluss am 16. November 1979 mitunterzeichnet hatten. Zu ihnen gesellten sich die damalige städtische Schriftführerin Renate Jung und der frühere Leiter des Kultur- und Touristikamtes Wilfried Kray, die für die Verwaltung jahrelang Verantwortung für das Museum trugen. Kray organisierte rund 150 Sonderausstellungen.

Bernd Brandemann vom 4Fachwerk-Arbeitskreis Stadtgeschichte ließ „40 Jahre Museum“ mit zahlreichen Bildern Revue passieren. Willkommen heißen konnte er auch den Hilchenbacher Historiker Gerd Schäfer, der das Museum einst konzipierte und auch eine kurze Zeit lang leitete. Dann wurde er 1985 zum Chef des Iserlohner Stadtmuseums berufen. „Dass das Haus in Freudenberg möglich wurde, lag an diesem guten Konzept,“ zitierte Brandemann den damaligen LWL-Kulturdezernenten Josef Sudbrock.

Nach Schäfer übernahm ab 1985 der Freudenberger Realschullehrer Martin Stücher die Museumsleitung. Auf ihn ging eine zeitweise Zusammenarbeit mit der Universität Siegen zurück. Stücher war es auch, der die „Achenbach’schen Scheunen“ an der Krottorferstraße für die Präsentation von Großgeräten ins Spiel brachte. Heute ist der HuV Freudenberg Träger dieser historischen Gebäudegruppe.

Die Leiterin des LWL-Museumsamtes für Westfalen, Dr. Ulrike Gilhaus, gratulierte für Landschaftsverband Westfalen-Lippe: „Der LWL war damals Geburtshelfer und hat die Stadt einige Jahre begleitet.“ Als der Bestand des Museums im Zuge der kommunalen Finanzprobleme ab 2010 auf der Kippe stand, wie in so vielen Gemeinden, war es die örtliche Beteiligung an der „Kulturagenda für Westfalen“, die Aktiven den Mut gab, über eine ehrenamtliche Trägerschaft nachzudenken. So bildete sich im Januar 2014 der Verein 4Fachwerk Freudenberg“, um das Haus zu übernehmen. „Sie haben Courage gehabt, neu anzufangen und durchzuhalten“, lobte die Münsteraner Amtsleiterin. Museen müssten immer mehr soziale Orte der Begegnung und Mitwirkung sein. Der ländliche Raum habe auch durch Corona an Bedeutung als Lebensmittelpunkt gewonnen. Deshalb sei es auch für die Wirtschaft lohnend, gerade hier durch Unterstützung und Sponsoring in Gemeinschaft zu investieren.

Um daran mitzuwirken, Häuser zu revitalisieren und Möglichkeiten aufzuzeigen, wie ein Museum den veränderten Interessen und Bedürfnissen des Publikums besser entsprechen kann, gebe es die Initiative „Kleine Museen im Wandel“. Dabei möchten die Kooperationspartner LWL-Museumsamt für Westfalen sowie Westfälischer Heimatbund e. V. (WHB) die Vernetzung und Neuausrichtung kleiner Museen fördern.

Dr. Ulrike Gilhaus erinnerte in ihrem Grußwort daran, dass der Museums-Gründungsboom in den 1970er Jahren 1978 erst zur Gründung der LWL-Fachstelle geführt habe, um die Initiativen beratend zu unterstützen.

Erster Beigeordneter und Kämmerer Julian Lütz, der die Stadt an diesem Tag offiziell vertrat, verwies auf das schwierige Umfeld für Museen. Sie müssten um Zuspruch kämpfen und seien nach Umfrage-Ergebnissen für viele Jugendliche bedeutungslos. Deshalb sei es wichtig, mit veränderten Konzepten die Wahrnehmung der Menschen heute zu erreichen. Das 4Fachwerk-Museum habe sich durch ehrenamtliches Engagement einen festen Platz in der Gesellschaft erarbeitet und sei Ankerpunkt für Kunst, Kultur und Geschichte im Alten Flecken. „Ich freue mich sehr über die enge Zusammenarbeit mit der Stadt,“ so Lütz.

Wolfgang Suttner trat als Sprecher des Deutschen Kunstrates zur Gratulation ans Mikrofon. Gerade kleinen Museen gelinge es, die Besonderheiten und Vorzüge einer Region zu zeigen. Die Arbeit des 4Fachwerk-Museums finde er ausgezeichnet: „Die gesetzten Schwerpunkte ergänzen und erhellen sich gegenseitig.“ Suttner zeigte sich sehr erfreut, dass das Museum nun auch von dem Förderprogramm „Neustart Kultur“ profitieren kann. Der Deutsche Kunstrat habe intensiv darauf hingewirkt, dass in Folge des ersten Corona-Lockdowns 2020 die Bundesregierung ein umfassendes Rettungs- und Zukunftsprogramm für den Kultur- und Medienbereich geschaffen habe. „Es ist ganz wichtig, den Kulturbetrieb und die kulturelle Infrastruktur dauerhaft zu erhalten.“

Das Freudenberger Museum will die Fördermittel nutzen, um das Dachgeschoss mit bedeutenden Uhrenausstellung zu optimieren.

4Fachwerk-Vorsitzender Dieter Siebel lud die große Zahl der Gäste anschließend zu einem Empfang in das Fachwerkhaus in die Mittelstraße. Er dankte seinen Vereinsmitgliedern für die vielfältigen Aktivitäten: „Das ist schon ein tolles Team!“. Im Museum bot die gerade eröffnete Ausstellung mit historischen Fotos aus dem Alten Flecken reichlich Gesprächsstoff.