Die Ausstellung ist noch bis Sonntag, 29.10.2023 immer mittwochs, samstag und sonntag von 14 bis 17 Uhr im 4Fachwerk Museum zu bewundern. Der Eintritt kostet 3 Euro.
Ein nachgebauter „Handwieser“, wie solche Hinweisschilder in früher Zeit hießen, gibt die Entfernung vom „Flecken“ nach Köln mit 12 Siegerländer Meilen, nach Siegen mit 1,5 Meilen an. Manfred Flender hat ihn mit handwerklichem Geschick entstehen lassen.
Mit ihm wird bereits vor dem Freudenberger 4Fachwerk Museum deutlich, dass es bei der aktuellen Ausstellung um Verkehrsgeschichte geht. Auch die Silhouette eines alten Karrens, in der Region als Romp bezeichnet, kündet von der Präsentation „Historische Wege und Straßen“.
Anlass für die Arbeitsgruppe Stadtgeschichte des Museums, sich mit dem Thema zu beschäftigen, bot die Erwähnung des Hileweges vor 975 Jahren. In der Urkunde vom 28. April 1048 präzisiert Erzbischof Eberhard von Trier die Grenzen des Kirchsprengels Haiger und nutzt den Hileweg dabei als Linienbeschreibung. Jene überregionale Handels- und Heerverbindung zog sich im Süden von der Wetterau durch das Siegerländer Eisenrevier Richtung Essen an der Ruhr zum Westfälischen Hellweg. Im Freudenberger Raum verlief er von Plittershagen über Mausbach nach Hohenhain, dann gen Hühnerkamp und Römershagen.
In dieser Region stießen die drei Erzdiözesen Köln (Sauerland), Mainz (Siegerland) und Trier (Haiger/Dillenburg) aneinander, dokumentiert durch einen „Drei-Herren-Stein“. Später sind es die politischen Territorien Sayn-Altenkirchen, Chur-Köln und Nassau-Siegen, die hier einen Anknüpfungspunkt fanden. In unserer Zeit sind es die Kreise Altenkirchen, Olpe und Siegen-Wittgenstein.
Bernd Brandemann stellte am Eröffnungsabend der Ausstellung die Forschungsergebnisse des Geschichts-Arbeitskreises vor. Besucher haben nun die Möglichkeit an einem großen Bildschirm digital aufbereitet nachvollziehen zu können, welche Routen zu welchem Zeitpunkt durch Freudenberg genutzt wurden. „Wir haben neben dem Hileweg die Brüderstraße und die Koblenz-Mindener Chaussee in den Blick genommen.“
Hierfür wurde eigens eine Übersichts-Karte generiert, in die die einzelnen Straßenrouten sortiert nach Zeitverläufen „einfließen“, programmiert von Manfred Flender.
Hilweg und Brüderweg kreuzten sich in Hohenhain und machten den Ort zu einem wichtigen Verkehrsknotenpunkt. „Hohenhain war das Aachen des Mittelalters“, formulierte einst Denkmalpfleger Prof. Berthold Stötzel, der ebenso die Hohlwege als „Kulturnarben des Siegerlandes“ bezeichnete.
Das erste Wirtshaus entstand 1696 in Hohenhain, zwei weitere folgten 1770 und 1795 und ließen dem kleinen Ort große Bedeutung für die Fuhrleute zukommen. Einer alten Chronik zufolge hätten dort an die Hundert von ihnen in den drei Herbergen logiert. In dem Vortrag ging Brandemann auch auf die Lebens- und Reisebedingungen der Fuhrleute ein, zunächst „Kärrner“ genannt. Stötzel sieht in ihnen „Helden der Wirtschaftsgeschichte“, da sie erst den Handel der industriellen Produktion ermöglichten. Sie waren „Vertrauensleute“, da ihnen sowohl einerseits die Waren wie andererseits das dafür zu zahlende Entgelt anvertraut wurde.
Ein kleines handliches Buch zeigt in der Ausstellung, womit sich die Reisenden in früher Zeit informierten. Dem Museum ist es gelungen, eines der seltenen Exemplare des 1735 erschienenen Werkes „Jesus der getreueste Gefährte und Helfer zu Wasser und Lande“ zu erwerben, das theologisch Erbauliches enthält, aber auch Informationen zu Reisewegen, Entfernungen, Münz- und Gewichtsvergleichen wie die „nöthigsten Wörter und Redensarten in spanischer, französischer, italienischer, schwedischer, polnischer, ungarischer und türkischer Sprache“. Es enthält ebenfalls einen immerwährenden Kalender sowie Kartenmaterial.
Die in der Region so genannte Brüderstraße war Teil der „Brabanter Straße“, die Flandern im Westen mit Leipzig im Osten verband. Sie führte dabei geradlinig von Köln nach Siegen, wurde auch als Pilgerweg genutzt und verlief eben auch zuletzt durch den Ort Freudenberg: „Sie nahm den Weg über die Marktstraße, in der sich ebenso die Poststation und das Zollhaus befand.“
An der Brüderstraße lässt sich auch darstellen, wie politische Maßgaben ihren Verlauf in Freudenberg mehrfach veränderten. Zunächst führte sie von Wildenburg-Bahnhof über den Knippen zum Löffelberg, weiter über den Ischeroth zur Wilhelmshöhe. Danach änderte sich der Weg vom Knippen aus durch die Gambach, den Ohrndorfer Schlag in Richtung Anstoß wieder zur Wilhelmshöhe. Zuletzt, nach Entstehen der Burg Freudenberg verlief die Brüderstraße gemäß dem herrschaftlichen „Straßenzwang“ durch den Ort Freudenberg.
Als alte Heer- und Handelsstraße war die Brüderstraße ebenso Teil der „Via Regia“, der längsten und ältesten Landverbindung zwischen Ost- und Westeuropa. Der Europarat zeichnete die Strecke 2006 als Sinnbild für die Einigung Europas als eine seiner „Kulturrouten“ aus. Auch dazu werden im Museum Informationen angeboten. Insgesamt ist eine umfangreiche Begleitbroschüre zur Ausstellung kostenlos erhältlich.
Im 17. Jahrhundert zählte nach dem „Nürnberger Fahrplan“ übrigens Siegen zu den 24 bedeutendsten Handelsstädten, die Reise zwischen beiden Städten dauerte allerdings 52 Tage.
Zum Straßenbau gehört die vorherige Planung, die notwendiger Weise auf einer Kartierung aufsetzt. Dabei stießen die jüngsten Freudenberger Forschungen auf eine Überraschung. Den 1816 vorgelegten „Qkularplan über den Amtsbezirk Freudenberg“ zeichnete Johann Weygand Siebel (1780-1844), der im Nebengebäude des heutigen Museums im Alten Flecken lebte. Als 1807 dessen Sohn Johannes geboren wurde, lautete im Kirchenbuch seine Berufsbezeichnung als Vater noch „Schuhmacher“, 1830 wird er dort dann als „Geometer“ geführt. „Als ‚Landmesser‘ dürfte er eine größere Bedeutung besessen, da später sein Sohn Johannes (1807-1867) stets mit dem Namenzusatz ‚Geometers Sohn‘ geführt wird.“
Dass Straßen der Gewerbeförderung dienten, wird an der „Koblenz-Mindener Chaussee“ deutlich. Die Straße, die vom Löffelberg über Büschergrund nach Freudenberg und weiter nach Kirchen führte, entstand in den Jahren 1830/31. Sie sollte zunächst als privat finanziertes Bauprojekt errichtet werden, woran sich allerdings die Stadt Freudenberg nicht beteiligen wollte. Er als Militärstraße konnte sie umgesetzt werden. Später, 1906, bezeichnete sie der Freudenberger Chronist Sterzenbach als „schönste Straße der Stadt“, da an ihr zahlreiche Bürgerhäuser aber auch Industriebauten entstanden waren.
Die Ausstellung zeigt eine Vielzahl historischer Karten und Abbildungen sowie widmet sich den „Landmessern“ mit ihren frühen Gerätschaften. Sie ist bis zum 29. Oktober 2023 zu sehen und bietet ein umfangreiches Rahmenprogramm mit Wanderungen und Lesungen.
Das Museum ist mittwochs, Samstag und sonntags von 14:00 Uhr bis 17:00 Uhr geöffnet. Sonderführungen sind auf Anfrage möglich.
Am Wochenende nach der Ausstellungseröffnungen begann bereits mit zwei Wanderungen das Rahmenprogramm.
Mitglieder des Arbeitskreises Stadtgeschichte, die Ausstellung und Broschüre vorbereiteten, sind in alphabetischer Reihenfolge Bernd Brandemann, Heinz Fischbach, Manfred Flender, Richard Flender, Dr. Christoph Galle, Detlef Köppen, Klaus Siebel-Späth und Gottfried Theis.
Das 4Fachwerk-Museum nimmt das Jubiläum der frühen Erwähnung des Hileweges zum Anlass, sich intensiver mit historischen Wegen und Straßen „rund um den Flecken“ zu beschäftigen. Drei geschichtsträchtige Verbindungen stehen dabei im Mittelpunkt: Der besagte Hileweg, die Brüderstraße und, als jüngste der betrachteten historischen Wege, die Koblenz-Mindener Chaussee.
Die Ausstellung „Historische Wege und Straßen“ zeigt eine Vielzahl historischer Karten, widmet sich den „Landmessern“ mit ihren frühen Gerätschaften und vermittelt mit animierter digitaler Straßenkarte visuell eindrucksvoll, welche Routen in verschiedenen Zeitepochen die Wege rund um Freudenberg nahmen. Erkenntnisse aus der Wegeforschung bietet zudem eine vom Museum aufgelegte umfangreiche Broschüre.
Wege verbinden Orte und Menschen, sorgten früh für den Austausch von Wirtschaftsgütern, wurden als Pilgerwege genutzt, an ihnen entstanden Häuser und Siedlungen. Straßen und Wege führten in die Fremde, waren also auch Orte, an denen verängstigte Menschen Orientierung und Zuspruch bedurften, sei es ganz praktisch von Richtungshinweisen (Ortsschilder, Wegweiser, „Handwieser“) bis hin zu religiösen Bildstöcken oder Wegkreuzen. In einer großen Vielfalt zeigt sich also die geschichtliche und kulturelle Bedeutung von Straßen und Wegen für eine Region.
„Unser Ziel ist es auch, ein wenig Klarheit in die Vielfalt von Straßennahmen und Wegeführungen zu schaffen,“ heißt es vom 4Fachwerk-Arbeitskreis Stadtgeschichte. Menschen benannten Wege nach ihrem Gutdünken: Führen solche in Richtung Köln, dann hießen sie Kölner Straße, wurden auf ihnen Salz, Kohle oder Eisen transportiert, so nannte man sie „Salzstraße“, „Kohlenstraße“ oder „Eisenstraße“. Auch der Hileweg wird als Teil der so genannten Eisenstraße diskutiert. Nicht zu vergessen: Der Einfluss der Landesherren verursachte „Verschiebungen“, wenn zum Beispiel Straßen nicht um, sondern durch den Flecken Freudenberg oder die Wildenburg geführt wurden.
Seit mindestens 975 Jahren kommt dem Hileweg also eine Bedeutung für den Freudenberg Raum zu. In einer Urkunde von 1048 taucht diese Wegebezeichnung als Teil der Grenzbeschreibung des Kirchspiels Haiger auf. Dieses entscheidende Dokument stellte Erzbischof Eberhard von Trier (1010-1066, Erzbischof 1047-1066) am 28. April 1048 aus. Jene zweite Urkunde stützt sich auf die Verfügung Konrads I von 914 und präzisiert mit der Grenzbeschreibung ihren Inhalt. Bei Philippi heißt es, der Bischof habe nach der Weihe der dem Kloster Weilburg übertragenen Pfarrkirche zu Haiger den Umfang des Kirchspielsprengels bestätigt.
Der Hileweg galt als wichtiges Verbindungsstück im fränkisch-karolingischen Straßensystem. Er verlief als überregionale Handels- und Heerverbindung am westlichen Rand des Gebietes der heutigen Stadt Freudenberg. Insgesamt wird als „Hileweg“ jene Straße bezeichnet, die im Süden in der Wetterau nördlich von Frankfurt a.M. begann, weiter durch das Siegerländer Eisenrevier führte und sein Ende in Essen an der Ruhr zum Westfälischen Hellweg fand.
Die Ausstellung wurde initiiert durch den Arbeitskreis Stadtgeschichte des 4Fachwerk-Museums. Ihm gehören aktuell an (in alphabetischer Reihenfolge) Bernd Brandemann, Heinz Fischbach, Manfred Flender, Richard Flender, Dr. Christoph Galle, Detlef Köppen, Dieter Siebel, Klaus Siebel-Späth und Gottfried Theis.
Die Ausstellung im 4Fachwerk-Museum ist vom 9. September 2023 bis zum 29. Oktober 2023 zu sehen. Das Museum ist mittwochs, samstags und sonntags von 14:00 bis 17:00 Uhr geöffnet. Der Eintritt beträgt 3 Euro. Sonderführungen sind auf Nachfrage möglich.
Verbunden ist die Ausstellung mit einem umfangreichen Rahmenprogramm. Dieses finden Sie hier.
Das Rahmenprogramm zur Ausstellung „Historische Wege und Straßen – 975 Jahre Hileweg“
HISTORISCHE WEGE ERWANDERN
Wanderung I, Sa., 9. September 2023, 14:00 Uhr, „Vom Flecken hinauf zum Dicken Schlag“ – 6,1 km
Treffpunkt: 4Fachwerk-Museum, Mittelstraße 4-6, im Alten Flecken (Parkplatz Kurparkstraße empfohlen)
Führung mit Dieter Siebel und Richard Flender
Erzählspaziergang als unterhaltsame Zeitreise nach Hohenhain, über Kurpark und Seelbachsecke in den Seelbachswald, dort entlang der von Büschergrund kommenden Hohlwege der Brüderstraße hinauf zu den Bollwerken des Dicken Schlages (nördlich der Kreisstraße), in Hohenhain Erläuterungen zu den Fuhrmannsherbergen und Pause beim Heimatverein, danach Rückweg durch die Schanzanlagen südlich der Kreisstraße.
Wanderung II, So., 10. September 2023, 14:00 Uhr, „Von Schlag zu Schlag“ – 6,9 km
Rundwanderung vom Hohenhainer Schlag zum Ohrndorfer Schlag, Treffpunkt Wanderparkplatz „Alte Schanze“ Hohenhain
Führung mit Ortsheimatpfleger Heinz Fischbach und Ortsheimatpfleger Manfred Flender
Dicker Schlag, Gambach, Drei Eichen, Ohrndorfer Schlag, Schlag auf der Römershagener Höhe, Drei-Herren-Stein am Hühnerkamp, über die zeitweise gemeinsame Trasse von Hileweg und Brüderstraße zurück nach Hohenhain, dort Erläuterungen zu den Fuhrmannsherbergen und Erfrischung beim Heimatverein.
Wanderung III, Sa., 7. Oktober 2023, 11:00 Uhr, „Rund um den Dreiherrenstein bei Oberstöcken“ – 10,9 km
Treffpunkt Alte Schule Plittershagen, An der Hallstadt,
Wanderung IV, So., 8. Oktober 2023, 14:00 Uhr „Hileweg und Eisenstraße“ – 6,2 km
Treffpunkt Alte Schule Mausbach, Mausbacher Straße,
Führung mit Ortsheimatpfleger Herbert Dietershagen
Hileweg, Oberstöcken, Niederstöcken, Alte Eisenstraße, zurück nach Mausbach.
Die Heimatvereine in Hohenhain, Plittershagen und Mausbach bieten vor Ort Rast und Erfrischungen an (Wanderungen II – IV).
Zu den Wanderungen ist die Anmeldung unbedingt erforderlich unter der E-Mail: anmeldung@4fachwerk.de
HISTORISCHEN REISEBERICHT ERLEBEN
Der junge Freudenberger Johann Christian Stahlschmidt (1740-1826) floh nach einem Streit mit seinem Vater als 19jähriger aus seinem Elternhaus. Der Grund der Auseinandersetzung: Er pflegte Kontakte zu frommen Mitmenschen, die der Amtskirche sehr kritisch gegenüber standen. Aus dem Flecken führte J. C. Stahlschmidt sein Weg zunächst über Köln nach Amsterdam. Hier heuerte er auf einem Segelschiff an und reiste zweimal nach Südostasien. So kam er nach Südafrika, Indonesien, China, Indien und Ceylon. Er überlebte Stürme auf hoher See und sogar eine Meuterei. Später lebte er neun Jahre in Nordamerika, wo er sich zum Prediger ausbilden ließ. Zurück in deutschen Landen gehörte Johann Christian Stahlschmidt zu den Gründungsmitgliedern der Elberfelder Missionsgesellschaft. Sein bewegtes Leben und seine lange Auslandstouren fanden ihren literarischen Niederschlag in dem 1799 erschienenen Reisebericht „Die Pilgerreise zu Wasser und zu Lande“. Ein Buch, das zu einem europäischen Bestseller der Erweckungsbewegung wurde.
Anhand dieses Buches werden Thomas Ijewski und Dieter Siebel an zwei Vortragsabenden über diesen bemerkenswerten Weltreisenden vor mehr als 260 Jahren berichten. Es geht um eine Zeitreise, die im Flecken begann und viel über damalige Wege und Begebenheiten berichtet.
Am Donnerstag, 21. September 2023 und am Donnerstag, 12. Oktober 2023, jeweils um 19.30 Uhr im 4 Fachwerk Museum
Ausstellungseröffnung „SPUREN – ZUSTÄNDE DER VERGÄNGLICHKEIT“
Vor 27 Jahren, 1996, starb Werner Seekamp. Viel zu früh, er war nur 53 Jahre alt geworden. 1943 in Verden/Aller geboren, verbrachte er seine Jugendzeit in Bremen. Hier studierte er an der Hochschule für Gestaltung die Fächer Bildhauerei und Grafik-Design. Sein beruflicher Weg führte ihn nach Siegen, wo er 23 Jahre beruflich als Grafiker tätig war, zugleich wirkte er als Dozent an der Volkshochschule.
Das 4Fachwerk-Museum in Freudenberg präsentiert jetzt eine umfassende künstlerische Rückschau auf Werner Seekamp, der in diesem Jahr seinen 80. Geburtstag hätte feiern können. Liebevoll hat seine Frau Helga Seekamp die Werke ausgesucht: „Es war mir eine Herzensangelegenheit.“ Helga Seekmap ist selbst Künstlerin, 2019 zeigte sie Beispiele ihres eigenen fotografischen Wirkens im Freudenberger Museum.
Werner und Helga Seekamp, also ein Siegerländer Künstlerehepaar, über das es heißt, trotz des frühen Todes des Ehemannes bestehe der ästhetische Dialog bis in die Gegenwart fort. Sie hätten gemeinsam gearbeitet, getrennt produziert und doch gab es Gemeinsamkeiten in der Bildsprache. Helga Seekamp erweist sich also als die beste Wahl als Gesprächspartnerin über die Kunst ihres Mannes. Der Dialog mit Kurator Michael Müller bildet den Auftakt der Vernissage im Alten Flecken.
Zunächst gilt es, Gemeinsamkeiten festzustellen: Das Ehepaar Seekamp und Michael Müller verbindet die Mitgliedschaft im Arbeitskreis Siegerländer Künstler (ASK). Seekamp wie Müller stammen aus Norddeutschland und fanden aus beruflichen Gründen den Weg ins Siegerland. Ob die nachgesagte „Sturheit“ der Regionen das Verbindende war? Helga Seekamp stellt fest: „Es war gut hier!“
Werner Seekamp beflügelten Zufallsfunde, die er in seine Kunstwerke einbaute. Die Sammelleidenschaft „entwerteter Dinge“ können als Zuwendung zu „Spuren“ gewertet werden. Einzelne Fragmente, die er oft spontan verarbeitete, inspirierten ihn und bestimmten den Werdegang des Entstehens seiner Arbeiten. Die „Spuren der Vergänglichkeit“ prägten seine Collagen.
Eine Parallelität im Kunstprozess, dem sich auch Michael G. Müller verbunden fühlt. Kunst aus gebrauchten Dingen, ästhetisch anspruchsvoll kombiniert: „Fundstücke sind Ausgangspunkt und Inspirationsquelle für meine vielschichtigen Kompositionen. Spielerische Kombinatorik, Neugier und Ausprobieren bestimmen dabei meinen Schaffensprozess.“ Ab 18. August zeigt er die Ergebnisse während des Kunstsommers 2023 in der KuKu-Produzentengalerie.
Die Retrospektive über die Schaffensphase von Werner Seekamp ist in Freudenberg bis zum 3. September 2023 zu sehen. „Diese Ausstellung verdient viele Gäste,“ so 4Fachwerk-Vorsitzender Dieter Siebel in seiner Begrüßung. Dass so viele Kunstinteressierte zur Vernissage gekommen seien, dürfe ein gutes Omen sein. Dominik Jung sorgte an dem Abend mit seiner Gitarre für einen gelungenen musikalischen Rahmen.
Ihre Welt endet zwar mit dem Tischrand, ihre Kreativität ist dagegen grenzenlos: Modellbauer können eine eigene Welt schaffen, mit Pappe Proportionen und Raumzusammenhänge gestalten. Kaum eine andere Darstellungsform ermöglicht diese sinnlich-haptische Wahrnehmung von Architektur oder gegenständlichem Design. Der Welt des Modellbaus aus Papier ist jetzt eine Ausstellung im Freudenberger 4Fachwerk-Museum gewidmet. Vorsitzender Dieter Siebel konnte wieder zahlreiche interessierte Gäste zur Eröffnung begrüßen.
Bei den Brüder Rainer und Werner Petruck lässt sich eine „familiäre Vorbelastung“ für ihr Hobby nicht verleugnen. Schon ihr Vater baute Schiffsmodelle aus Holz. Der 99-Jährige pflegt seine Leidenschaft bis heute, erzählen die beiden im Gespräch mit Kuratorin Dr. Ingrid Leopold bei der Vernissage. Im Alter von zehn bis 14 Jahren bastelten sie damals bis nachts. Doch dann belegte zunächst ein anderes Hobby neben Beruf und Familie ihren Lebensmittelpunkt. Beide brillierten als Musiker, anfangs bei der bekannten Siegerländer Band „The Mashrooms“. Erst so „mit Fünfzig“ rückte der Modellbau bei ihnen wieder ins Blickfeld. Sie verschrieben sich dem Werkstoff Papier und gehen seitdem mit Enthusiasmus ans Werk.
Gebäude und Straßenszenen sind die Spezialität von Rainer Petruck. In seinen Dioramen setzt er Häuser in eine Landschaft und ergänzt sie zusätzlich mit Figuren oder Fahrzeugen. „Es sollen Bilder aus dem Leben entstehen“, sagt er. Ein polnischer Kollege lenkte seine Aufmerksamkeit auf die französische Stadt Lisieux, die vor ihrer Zerstörung im II. Weltkrieg als mittelalterliches Schmuckstück mit normannischen Fachwerkhäusern galt. Mit liebevoller Detailtreue und seinem gestalterischen wie handwerklichen Geschick ließ er in 18-monatiger Bauzeit nach historischem Bildmaterial alte Baukörper von dort aus Pappe entstehen. Ihm gelingt es mit seiner Darstellung, dass diese bauliche Vergangenheit nicht zu einer „vergessenen Welt“ gehört, sondern er sie anschaulich in Erinnerung ruft und zu Bewunderung für eine unverwechselbare Identität-stiftende Baukultur führt. Rainer Petruck‘s Modelle setzen ein Ausrufezeichen, stellen mehr als „heile Welt“ dar, weil im Auge der Betrachter der Kontrast zu häufig fehlendem Flair mancher heutiger städtebaulicher Normarchitektur deutlich wird.
Werner Petrucks Interesse gilt der maritimen Welt. Mit Skalpell und Lupe baut der studierte Elektrotechniker Schiffsmodelle, wie gesagt aus Papier. Die Ausstellungsbesucher konnten es kaum glauben: Vor ihnen steht ein Miniatur-Ozean-Riese aus bis zu 8000 Teilen, bei dem selbst 450 Stühle an 150 Tischen nicht fehlen. In unzähligen Stunden konzentrierten Arbeitens nehmen dreidimensionale Schiffskörper ihre detailgetreue Gestalt an. Auch der Dritte im Bunde, der seine Werke im 4Fachwerk-Museum ausstellt,
Reinhard Fabisch aus Menden, begann seine Modellbau-Karriere als Kind. Eine Ritterburg zählt zu seinen ersten Werken. Doch ebenso bei ihm ruhte sein Hobby – bis zum Jahr 2007. Erste gebaute Miniaturen entstanden als besondere Geschenke für Freunde und Familie. Er schwärmte für Motorräder: „Ich habe solche als Modelle aus Papier gebaut, als Illusion, wie ich mir meinen ‚Feuerstuhl‘ wünschte.“ Fabisch interessierte sich für antiquarische Risse alter Schiffe und entdeckte einen Bausatz der Galeone „Roter Löwe“, eines 1597 in den Niederlanden gebauten Segelschiffes. „Der entsprach allerdings nicht der Wirklichkeit,“ recherchierte er und entwickelte für sich Baupläne, die dem Originalzustand entsprachen. Und dann legte er mit handwerklicher Kunstfertigkeit los. Der zweite Schritt der Entwicklung: Das Schiff legt jetzt vor dem Modell des Danziger Krantores an. Forschungsarbeit und genaue Beobachtung vor Ort begleitete Reinhard Fabisch ebenso bei dem Projekt „Burg Altena“. Sogar Drohnenaufnahmen nutzte er, um das Umfeld zu erkunden, damit sein Modell detailgetreu in eine Landschaft hineinpasst.
Die Ausstellung im 4Fachwerk-Museum lässt erkennen, dass auch in Zeiten von Virtual-Reality-Brillen und vieler digitaler Werkzeuge „gebastelten Miniaturen“ durchaus eine Zukunft bleibt. Die Modelle sorgten für intensives gemeinsames Betrachten, für Fragen nach Details oder geschichtlichen Hintergründen, auch nach Technik und boten so reichlich Gesprächsstoff. Viel Bewunderung galt den passionierten Modellbauern für ihre eingesetzte Zeit, ihre Kreativität, für ihre Beharrlichkeit, Qualität im Kleinen umzusetzen.
Die Präsentation „Die Welt aus Papier“ ist in Freudenberg bis zum 9. Juli 2023 zu sehen. Nicht nur etablierte Modelbau-Fans werden hier auf ihre Kosten kommen.
Mittendrin-Museum
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